Grundlinien deutscher Geschichte bis 1945

Noch im vorigen Jahrhundert glaubte man genau zu wissen, wann die deutsche Geschichte begonnen hat: im Jahre neun n. Chr. In jenem Jahr besiegte Arminius, ein Fürst des germanischen Stammes der Cherusker, im Teutoburger Wald drei römische Legionen. Arminius — von dem man nichts Näheres weiß — galt als erster deutscher Nationalheld. In den Jahren 1838— 1875 wurde ihm bei Detmold ein riesiges Denkmal errichtet.

Heute sieht man die Dinge nicht mehr so einfach. Die Entstehung des deutschen Volkes war ein Prozeß, der Jahrhunderte dauerte. Das Wort "deutsch " ist wohl erst im 8. Jahrhundert aufgekommen, und es bezeich­nete zunächst nur die Sprache, die im östlichen Teil des Frankenreiches gesprochen wurde. Dieses Reich, das unter Karl dem Großen seine größte Machtentfaltung erlangte, umfaßte Völkerschaften, die teils germanische, teils romanische Dialekte sprachen. Nach Karls Tod (814) brach es bald auseinander. Im Laufe verschiedener Erbteilungen entstanden ein West- und ein Ostreich, wobei die politische Grenze annähernd mit der Sprachgren­zejzwischen Deutsch und Französisch zusammenfiel. Erst oactrwid na.ch entwickelte sich bei den Bewohnern des Ostreichs ein Gefühl der Zusam­mengehörigkeit. Die Bezeichnung "deutsch " wurde von der Sprache auf die Sprecher und schließlich auf ihr Wohngebiet ("Deutschland") übertragen.

Die deutsche Westgrenze wurde verhältnismäßig früh fixiert und blieb auch recht stabil. Die Ostgrenze hingegen war jahrhundertelang fließend. 'Um 900 verlief sie etwa an den Flüssen Elbe und Saale. In aen folgenden Jahrhunderten wurde das deutsche Siedlungsgebiet weit nach Osten aus-


gedehnt. Diese Bewegung kam erst in der Mitte des 14. Jahrhunderts zum Stillstand. Die damals erreichte Volksgrenze zwischen Deutschen und Sla­wen hatte bis zum Zweiten Weltkrieg Bestand.