Jahre Buchstadt Leipzig

Ein unbekannter Leser im Jahre 1 800 hat vor seinen Büchern gestanden und über sie nachgedacht. Sie kamen ihm wie Menschen vor, die belohnt oder bestraft werden. „Stellt euch vor einen Bücherschrank und fraget Buch für Buch: Wer war er, der diese Gedanken und Gefühle in Worte fasste und die Worte niederschrieb, die noch heute so deutlich zu mir reden? Wer war es, wo hat er gelebt, was getan, gelitten? Wer hat seine geschriebenen Worte vervielfältigt? Welche Erfindung, die Buchdruckerei!“ Gutenbergs Methode war in vielen anderen europäischen Städten gut bekannt geworden, bevor 1 481 in der Werkstatt des Marcus Brandis das erste Buch in Leipzig gedruckt wurde. Das war eine kleine lateinische Schrift „Glossa in Apocalypsim“. Was wir über jenen ersten Leipziger „Buchstabensetzer“ – so wurde er später bezeichnet – wissen, ist recht wenig. Er stammte aus Delitzsch und hat in Merseburg gedruckt. Dann zog er nach Leipzig. Daß er Drucker der „Glossa“ gewesen ist, weiß man nur aus dem Vergleich der Drucktypen, denn mit seinem Namen nennt er sich erst in einem weiteren Buch, das wiederum in Leipzig erschien.

Brandis wird noch zu den Wanderdruckern gezeichnet. Die erste ständige Werkstatt entstand in Leipzig um 1485. Zehn Jahre darauf beginnen gleich drei Drucker auf einmal. Damit war der Leipziger Frühdruck gegründet.

Seinen Hintergrund bildet die Messe, die in diesen Jahren in ihren glanzvollen Aufstieg eintritt. Sie bot den Druckern, die zugleich ihre eigenen Buchhändler waren, gute Handlungsmöglichkeiten. 1481 war der Buchhandel schon eine Branche der Messe. Vor einigen Jahren ist ein Abrechnungsbuch eines namhaften Druckers aus Speyer gefunden worden. Daraus ergibt sich, daß um 1480 für ihn der wichtigste Handelsplatz für seine Bücher Leipzig war. Er hatte sogar eine Faktorei in der Messestadt. Von dieser Faktorei wurden die in Fässern verpackten Drucke empfangen und weiter verschickt.

Die tiefen Veränderungen in Gesellschaftsstruktur und Bildungswesen wirkten auch auf die schriftliche Kommunikation. Innerhalb von 50 Jahren wurden nicht weniger als neun deutsche Universitäten gegründet, darunter die Wittenberger. Die Entwicklung des Handels, des Bergbaus, des Bürgertums gab dem Bildungswesen einen Impuls und forderte den Übergang vom handgeschriebenen zum gedruckten Buch. Am Ende des 15. Jahrhunderts gab es auch die technischen Voraussetzungen dazu. So setzte sich Papier anstelle des Pergaments durch. Der Buchdruck war zum ersten Massenmedium geworden. Bereits um 1 500 stand Leipzig an der Spitze der deutschen Orte, die sich der Kunst Gutenbergs gewidmet hatten.

Die Buchmesse, namhafte Drucker, Buchländler und Buchkünstler trugen dazu bei, die Stadt im Laufe der Jahrhunderte international bekannt zu machen.

Zur DDR-Zeit hatten 38 Verlage ihren Sitz in der sächsischen Industriestadt. Diese Verlage brachten jährlich etwa 800 Titel mit einer Gesamtauflage von 9 Millionen Exemplaren heraus. Etwa 50 Prozent davon waren Nachschlagewerke und populärwissenschaftliche Titel.