Der Wolf und die Umgebung

Vielen Tieren hat der Mensch ein Denkmal gesetzt: Hunden, Pferden, Delphinen. Aber ein Denkmal für einen Wolf, den Erzfeind des Menschen? Wenn man jedoch Wesen, Verhaltensweise und Lebensweise dieses zu allen Zeiten von Menschen gejagten Tieres kennt, wundert man sich nicht darüber.

Der Wolf hat keinen Feind außer dem Menschen. Schrot, Gift und Fallen sind den Wölfen seit langem bekannt. Heute haben sie außerdem noch Autos, Flugzeuge, Hubschrauber und Motorschlitten zu fürchten.

,,Vor einem Flugzeug verkriecht er sich in Ställe zu Schafen, läuft in Bauernhäuser oder springt ins Wasser", schreibt ein Jäger. Man wundert sich nur, wie bei einer solchen Belagerung überhaupt noch Wölfe existieren.

Wer dem Untergang geweiht ist, der hat immer unser Mitgefühl. Auch den Wölfen gegenüber hegt man heute dieses Mitgefühl. Dazu haben beigetragen die in Kanada erschienenen Bücher über den Polarwolf und die neue Ansicht der Biologen über die Rolle, die das Raubtier in der freien Natur spielt. Es ist bewiesen, dass das Raubtier in dem selbstregulierenden Mechanismus der Natur ein nötiges Kettenglied darstellt. Es schlägt in erster Linie die Schwachen und hält so die natürliche Auswahl aufrecht. Schon sind Stimmen zu hören, die den Schutz des Wolfes fordern. Doch ist dieses Problem nicht so leicht zu lösen. In den Gegenden, wo die Wirtschaft entwickelt ist, wird der Wolf immer eine ,,persona non grata" sein.

Eine differenzierte Einstellung zum Wolf hat aber Sinn in solchen Regionen des Landes, die von den Menschen wenig bewohnt sind. Hier sorgt der jagende Wolf tatsächlich dafür, dass die Natur ,,in Form“ bleibt.

Obwohl der Wolf nun schon jahrhundertelang in Nähe des Menschen lebt, wissen wir doch von ihm verhältnismässig wenig. Daraus erklärt sich auch das grosse Interesse, mit dem man jede Meldung über Wölfe aufnimmt.

Der Wolf ist ein einzigartiges, vollkommenes Stück freier Natur. Und wenn es uns nicht gelingen wird, ihn auf unserem Planeten zu erhalten, werden wir doch wenigstens wissen, was es für ein Raubtier war, das vor Urzeiten her Feind und Nachbar des Menschen zugleich war.