Und als Lehrfach

Die Phonetik ist die Lehre von den Lauten, ihren Verbindungen und Modifikationen im Sprechakt. Die Phonetik stellt fest, was alles beim Sprechvorgang geschieht und sucht zu ermitteln, warum es geschieht. Sie beobachtet, untersucht und experementiert. Sie ist eine Wissenschaft, deren Fragen sich an Naturvorgänge richten.

Zweige der Phonetik sind die allgemeine Phonetik, die beschreibende (synchronische) Phonetik, die historische (diachronische) Phonetik, die vergleichende (komparative) Phonetik, die angewandte Phonetik.

Die allgemeine Phonetik untersucht die Möglichkeiten der Lautbildung in allen Sprachen, d.h. phonologische, soziale, kombinatorische, akustische und sonstige Aspekte der Lautbildung (siehe z.B. Л.Р. Зиндер. Общая фонетика, М., 1979; М.В. Раевский. Фонетика немецкого языка, М., 1997.).

Die beschreibende (synchronische) Phonetik beschreibt den Lautbestand und die prosodischen Mittel einer Sprache in ihrem gegenwartigen Zustand (Phonemsystem, phonetische Basis, Betonung, Intonation etc.) (siehe z.B. Р.Р. Каспранский. Очерк теоретической и нормативной фонетики немецкого и русского языков. Горький, 1976).

Die historische (diachronische) Phonetik befaßt sich mit der Entwicklung des phonetischen und phonologischen Systems der Sprache im Laufe ihrer geschichtlichen Entwicklung (siehe z.B. Зиндер Л.Р., Строева Т.В. Историческая фонетика немецкого языка. М., Л., 1965).

Die vergleichende (komparative) Phonetik kann synchronisch und diachronisch sein. Sie vergleicht die Lautsysteme von verschiedenen Sprachen. Der Vergleich wird besonders haufig im Phonetikunterricht angewandt (siehe z.B. Щерба Л.В. Фонетика французского языка: Очерк французского произношения в сравнении с русским, М., 1963).

Die angewandte Phonetik ist eine Hilfswissenschaft für viele Gebiete: für Fremdsprachenunterricht, Logopädie, Sprachheilpädagogik, Gesangunterricht etc.

Die experimentelle Phonetik ist eigentlich keine selbständige Disziplin, sondern eine Methode.

Die Paraphonetik befaßt sich mit den paralinguistischen phonetischen Erscheinungen, die das Sprechen begleiten (Gestik, Mimik etc.).

Die Artikulationistdie Bewegung der Sprechorgane.

Die Artikulationsbasis ist eine ganz bestimmte Lagerung und Bewegungsart der aktiven Teile der Artikulationsorgane, die für die gesamte Lautbildung einer Sprache charakteristisch ist.

Das phonetische System der Sprache:die phonetischen Erscheinungen, sowohl die Segmente, als auch die Prosodik, bilden das phonetische System der Sprache, indem jede phonetische Einheit in einem Zusammenhang mit den anderen phonetischen Einheiten steht. Sie unterliegen bestimmten phonetischen Gesetzen der Verbindung und der Modifikation

Phonetische Einheiten:man unterscheidet in der Phonetik zwei Arten von phonetischen Einheiten: lautliche oder segmentale (innere, lineale) Einheiten (Segmente) und suprasegmentale (prosodische, äußere) Einheiten (Prosodik).

Die lautlichen Einheiten sind Sprechlaute, Silben, Akzentgruppen (phonetische Wörter), Äusserungen (Sätze und Sprechtexte). Diese Redeeinheiten werden während der Segmentierung des Redestroms festgestellt. Das sind Segmente verschiedener Grössen: die Äusserung gliedert sich in Aussprüche. Der Ausspruch besteht aus einem oder mehreren Sprechtakten, der Sprechtakt aus einer oder mehreren rhytmischen Gruppen (Akzentgruppen), die Akzentgruppe enthält eine oder mehrere Silben, die Silbe umfasst einen oder mehrere Laute.

Im Redestrom werden die Einzellaute nach bestimmten phonetischen Gesetzen mehr oder weniger modifiziert und aneinander angegliechen. Sie treten in verschiedenen Kombinationen in Form von Silben auf. Die einzelnen Silben werden in eine Struktur höheren Ordnungsgrades eingeordnet.

Die lautlichen Einheiten

Die Äusserungist ein geschlossenes Informationsgebilde, das aus mehreren Aussprüchen bestehen kann.

Der gesprochene Satzistnach seinem Inhalt und nach seiner grammatischen und lautlichen Struktur ein abgeschlossenes Ganzes, das durch eine besondere aussagende, fragende, befehlende, oder ausrufende Intonation gekennzeichnet wird. Er kann einfach oder zusammengesetzt sein. Der gesprochene Satz als phonetische Einheit fällt mit dem Satz als grammatischem Begriff zusammen. Die Grammatik interessiert vor allem für die lexikalisch-grammatische Füllung des Satzes, die Phonetik dagegen für die prosodischen Mitteln, die die lexikalisch-grammatischen Mittel überlagern, um sie zum Ganzen zu verbinden, und für die kleineren phonetischen Einheiten, in welche der Satz beim Sprechen zerfällt.

Der Sprechtakt (nach O.Zacher) ist eine phonetische Einheit, ein Teil des Satzes, der durch situativ bedingte sinngemässe Akzentierung, Pausensetzung, Melodieführung, temporale Gestaltung unter Berücksichtigung der kommunikativen Zieleinstellung des Satzes entsteht. In neutralen Aussagen, Fragen, Befehlen fällt der Sprechtakt in der Regel mit dem Syntagma zusammen, wenn der Satz keine erweiterte Rahmenkonstruktion enthält. Beim Kontrastakzent, bei dem emphatischen Akzent und psychologischer Pausenstellung unterscheidet sich der Sprechtakt von dem Syntagma.

Der Sprechtakt (das Syntagma, nach O.V. Essen -) ist ‘zur Einheit gebundener Redeabschnitt’, dem im Denkakte ein ‘Sinnschritt”, auf der grammatischen Ebene eine syntaktische Einheit entspricht.

Das Syntagma (nach O.Zacher) ist eine syntaktische Einheit. Es ist ein Teil des Satzes, der das zusammenschliesst, was morphologisch-syntaktisch gehört: Subjekt und Prädikat, Subjektgruppe, Prädikatgruppe, Substantiv und Attribut, Verb und nähere Bestimmungen der Handlung oder des Zustandes, transitives Verb, direktes Objekt. O.Zachermeint, dass das Syntagma und der Sprechtakt bestimmte Einheiten verschiedener Qualität und Struktur sind.

Das Syntagma (nach L.W. Šcerba)ist der kürzeste Teil der Rede, den man heraufheben kann, ohne sie zu zerstören, und der im gegebenen Text und in der gegebenen Situation einem Begriff entspricht.(L.W. Šcerba verwarf den Terminus “Sprechtakt” völlig).

Rhytmische Gruppe(Akzentgruppen, phonetische Wörter) ist ein Teil des Sprechtaktes, der eine Kernsilbe mit starker Betonung enthällt, um die sich schwachbetonte oder unbetonte Silben zu gruppieren, wobei die Kernsilbe meistenteils zu einem Vollwort gehört. Es gibt aber auch Fälle, wo Pronomen, Konjunktionen, Präpositonen die Kernsilbe erhalten. Die rhytmische Gruppe fällt in der ruhigen Rede mit normaler Wortfolge meistenteils mit einem Satzglied zusammen.

Die Proklisten sind Teile der rhytmischen Gruppe, die vor der Kernsilbe stehen.

Die Enklisten sind Teile der rhytmischen Gruppe, die nach der Kernsilbe stehen.

Die Silbe entsteht auf dem Wege der natürlichen Gliederung des Redestroms, was durch die Physiologie des Atmungsvorgangs bedingt ist. Eine Silbe ist immer der minimale Abschnitt des Redestroms, der im Laufe eines Atemstoßes (einer Expiration) hervorgebracht wird. Sie ist eine Sprecheinheit, die grundsätzlich keine Bedeutungsträgerin ist.

Arten von Silben: offene (die auf einen Vokal ausgehen, vgl. sa-gen), bedingt geschlossene Silben (die man öffnen kann, vgl. fragt, aber fra-gen) und geschlossene Silben (die auf einen Konsonanten ausgehen, vgl. ar-beiten). Unter den offenen Silben kann man gedeckte offene und ungedeckte offene Silben unterscheiden: CV - gedeckt, V - ungedeckt.

Der Sprechlaut ist ein gesprochener Laut, der auf phonetischer Ebene aus dem Redefluss segmentiert werden kann. Jeder Einzellaut ist ein Ergebnis einer Zusammenarbeit der Sprechwerkzeuge des sog. Sprechapparats. Der Einzellaut wird an seinem Klang oder Geräusch, an seiner Sprechstärke, Dauer usw., d.h. an seiner akustischen Struktur, vom Hörenden wahrgenommen.

Die prosodischen Einheiten

Die Prosodik ist die Lehre, die solche Mittel, wie Intonation, Tonhöhe, Akzent, Sprechtempo, Pausen usw. zum Gegenstand der Forschung und Beschreibung hat.

Die Intonation kennzeichnet den Satz als Ausspruchseinheit, indem sie hauptsächlich durch den Melodieverlauf und die Akzentuierung signalisiert, ob der Gedanke abgeschlossen oder nicht abgeschlossen ist. Die Intonation untergliedert den redestromdurch Tonhöhen, Lautstärkeveränderungen und Sprechpausen in kleine Redeeinheiten. Die Intonation dient als Mittel zur Verbindung einzelner Redeeinheiten im Kommunikationsprozess.

Der Wortakzent (die Wortbetonung) ist eine artikulatorisch-akustische Hervorhebung einer Silbe im mehrsilbigen Wort. Das einsilbige Wort hat keinen Wortakzent, denn der Akzent ist keine absolute, sondern relative Größe. Die Betonung bezieht sich nicht auf einen Vokal, sondern auf eine Silbe innerhalb eines mehrsilbigen Wortes. Die Hervorhebung einer Silbe im Wort erfolgt mit Hilfe von Tonstärke, Tonhöhe und Tondauer.

Der Satzakzent (die Satzbetonung) gestaltet die einzelnen Laute in den Wörtern, Redetakte und Phrasen. Innerhalb des Satzes kann man verschiedene Betonungen nach ihrer Stärke und ihrer Rolle unterscheiden. Aber jeder Satz hat unbedingt die logische Betonung (Phrasenbetonung, die am stärksten betonte Silbe im Satz). Wenn der Satz mit bestimmten Gefühlen, Emotionen gesprochen wird, so spricht man über die emphatische Betonung: wun:derbar! чуде:сно!

Das Sprechtempo zeigt die Anzahl der Redeeinheiten pro Zeiteinheit (gewöhnlich die der Silben pro Minute). Im Vergleich zum Russischen hat die deutsche Sprache ein beschleunigteres Tempo. Die Sätze werden in der Regel nicht mit gleichem Tempo gesprochen: das Rhema hat im Satz ein langsameres Tempo als das Thema.

Die Pausen dienen zur Gliederung des Redestroms in kleinere Einheiten - phonetische Wörter, Redetakte und Phrasen, sowie auch zum natürlichen Atmen. Man unterscheidet abschließende Pausen (zwischen den einzelnen Sätzen), verbindende (zwischen den einzelnen Syntagmen) und fakultative (bei langsamem Sprechen).

Die Tonhöhe hängt von Frequenz (частота колебаний) ab. Je mehr ist die Schwingungsfrequenz, um so höher ist die Tonhöhe. Die Frequenz wird in Herz gemessen. Ein Herz heißt eine Luftschwingung pro Sekunde. Das menschliche Ohr nimmt die Frequenzen von 16 bis 20 000 Herz wahr. Die Klänge haben periodische Schwingungen, die Geräusche - nicht.

Die Tonstärke hängt von der Amplitude ab. Die Amplitude heißt anders die Schwingungsweite. Je größer ist die Amplitude, um so stärker ist der Laut. Die Tonstärke wird in Dezibell gemessen.

Die Formanten eines Lautes sind die Frequenzbereiche, bedingt durch Resonanzräume im Mundapparat, dank denen der Laut als solcher zustandekommt. Man unterscheidet vorwiegend folgende Formantenbereiche: Kehlkopf, Mundraum, Mundvorhof, Nasenraum. Die Gesamtheit von allen Formantenbereichen ergibt ein Spektrum des Sprachlautes. Ein reales Bild des Spektrums eines Sprachlautes, das mit Hilfe des Spektrographen gewonnen wird, heißt ein Spektrogramm.