Die wichtigsten physiologischen Merkmale des deutschen Vokalsystems

1) eine starke Muskelspannung des ganzen Sprechapparats bei der Hervorbringung aller Vokale;

2) ein eigenartiges Beginn der Vokale am Anfang der betonten Präfix- und Stammsilben (neuer Einsatz);

3) ein eigenartiges Ende der kurzen Vokale (starker Absatz);

4) eine vorgerückte Zungenlage bei der Bildung der meisten Vokale.

Der neue (feste) Einsatz wird auf folgender Weise entstanden: die Stimmbänder bilden einen Verschluss durch festes Aneinanderpressen. Bei der Sprengung dieses Verschlusses entsteht ein Schlaggeräusch, das wir beim leichten Hüsteln hören. Im Deutschen ist eine geschwächte Form dieses Geräusches vor Vokalen im Stamm- und Präfixanlaut und vor einzelstehendenVokalen vorhanden. Dieser feste Einsatz entsteht bei einem nicht festen Stimmlippenverschluβ. Bei der Überwindung dieses Verschlusses kommt es zu keinem scharfen Sprenggeräusch, z.B. [́´’o:d∂r] oder, [́´’υnb’∂˙ِ’irt] unbeirrt.

Die Kürze allein genügt bei der Aussprache der kurzen Vokale nicht. Von besonderer Bedeutung ist der eigenartige starke Absatz der deutschen kurzen Vokale (die Artikulation der kurzen Vokale wird jäh angebrochen). Man spricht deshalb von “gestutzten” Vokalen. In der offenen Silben kann der starke Absatz nur in Ausnahmefällen vorkommen, z.B. Na, da hört ja alles auf! In der geschlossenen Silbe äuβert sich der starke Absatz des kurzen Vokals darin, dass sich der folgende Konsonant eng an den vorhergehenden kurzen Vokal anschliesst, z. B. mit, Lust, sitzen. Vgl. íèòêà, ïóñòü, åäèíèöà. In diesem Fall spricht man von einem festenAnschluβ, zum Unterschied von dem losen Anschluβ, der im Deutschen nur zwischen langem Vokal und folgendem Konsonanten auftritt (lesen, Miete, reden). Das russische kennt nur den schwachen Absatz und den losen Anschluβ. Beim starken Absatz werden die Schwingungen der Stimmbänder jäh abgebrochen. Beim schwachen Absatz schwächen die Schwingungen der Stimmbänder allmählich ab, und die Stimmbänder gehen dabei auseinander.