Physiologische Merkmale des deutschen Konsonantensystems

1) die starke Muskelspannung und die starke Expiration (der starke Atemdruck). Deshalb werden die stimmlosen Verschlusslaute behaucht und die stimmlosen Engelaute mit einem starken Reibegeräusch gesprochen. Auch die stimmhaften Geräuschlaute bekommen durch die starke Muskelspannung und den starken Atemdruck ein stärkeres Geräusch als die entsprechenden russischen Konsonanten.

Bei den deutschen Lauten wird die Spalte enger gebildet als bei den russischen Engelauten. Bei der Bildung der deutschen Engelaute streicht der Luftstrom mit stärkerem Druck durch die Spalte und ruft eine stärkere Reibung an der Wendung der Spalte hervor als bei der Bildung der russischen Engelaute;

2) verhältnissmässig geringe Aktivität der Stimmbänder bei der Bildung der stimmhaften Konsonanten. Während im Russischen die Stimmbänder schon vibrieren, bevor noch das Blählaut erzeugen, beginnen die Stimmbänder im Deutschen erst dann zu vibrieren, wenn schon das Geräusch zu hören ist. Im Russischen entstehen somit der Stimmton vor dem Geräusch, im Deutschen gleichzeitig mit dem Geräusch;

3) das Fehlen der Gegenüberstellung von nicht palatalisierten (nich erweichten) und palatalisierten (erweichten) Konsonanten.Beim Vergleich des deutschen und russischen Konsonantismus ist es allgemein angebracht, die deutschen Konsonanten als nicht palatalisiert zu bezeichnen. Es gibt jedoch einen bedeutenden Unterschied zwischen den russischen nicht palatalisierten Konsonanten und den entsprechenden deutschen Konsonanten. Die deutschen Konsonanten klingen nicht so tief wie russischen nicht palatalisierten Konsonanten. Sie stehen nach ihrem Eigenton zwischen den entsprechenden nicht palatalisieretn Konsonanten und palatalisierten russishen Konsonanten. So steht z.B. das deutsche [t] nach seinem Eigenton zwischen dem russischen [T] und dem russischen [T’].

Die Klassifikation der Konsonanten

Man klassifiziert die Konsonanten von zwei Standpunkten aus: vom Standpunkt ihrer Bildungsweise und vom Standpunkt des aktiven artikulierenden Organs.

Nach der Bildungsweise unterscheidet man 1) stimmhafte und stimmlose Konsonanten, 2) Geräuschlaute und Sonanten, 3) reine Konsonanten und Nasalkonsonanten.

Die Bildungsweise der Konsonanten

Stimmlose Konsonanten sind die Konsonanten, die nur aus Geräuschen bestehen, d.h. ohne Beteiligung der Stimme gebildet werden. Im Deutschen sind das die Konsonanten [p], [t], [k], [f], [s], [∫], [ς], [x], [h], [p˛f], [t˛s], [t˛∫].

Stimmhafte Konsonanten sind die Konsonanten, an deren Bildung auch die Stimmänder teilnehmen und den sog. Stimmton erzeugen. Im Deutschen sind folgende Konsonanten stimmhaft: [b], [d], [g], [v], [z], ([Ç]), [j], [m], [n], [ŋ], [l], [r], ([R]).

Die Geräuschlaute sind die Konsonanten, bei deren das Geräusch überwiegt.

Die Geräuschlaute zerfallen nach der Art des Hindernisses und der Art des Geräusches in Verschlusslaute (Sprengelaute), Engelaute (Reibelaute) und Verschluss-Engelaute (Affrikaten).

Die Verschlusslaute (Sprengelaute) werden durch einen Verschluss im Mundraum gebildet, der durch den Luftdruck gesprengt wird. Dadurch entsteht ein Sprenggeräusch. Zu den Verschlusslauten (Sprengelauten) gehören [p], [t], [k], [b], [d], [g]. Die ersten drei sind stimmlos, die letzten drei stimmhaft.

Die Engelaute (Reibelaute) werden durch eine Enge gebildet. Der Luftstrom streicht durch die Enge unter einem gewissen Druck und erzeugt ein Reibegeräusch. Auf diese Weise bildet man im Deutschen die Konsonanten [f], [s], [∫], [ς], [x], [v], [z] ([Ç]), [j]. Die ersten sechs sind stimmlos, die letzten vier stimmhaft.

Wenn ein Verschluss ohne Sprengung unmittelbar in eine Enge übergeht, entstehen Verschluss-Engelaute (Affrikaten). Zu den Affrikaten der deutschen Sprache gehören die Konsonantenphoneme [p˛f], [t˛s], [t˛∫]. Alle drei sind stimmlos.

Die Sonanten sind die Konsonanten, bei deren im Klang der Stimmton überwiegt. Zu den Sonanten gehören im Deutschen: [r] ([R]), [l], [m], [n], [ŋ]. Die Laute [m], [n], [ŋ] sind reine Stimmtonlaute. Bei den Konsonanten [r] ([R]), [l] ist zugleich ein leichtes Geräusch zu hören. Das [r] ([R]) hat ein Zittergeräusch, das [l] ein leichtes Reibegeräusch.

Die Sonanten zerfallen nach der Bildungsweise in Nasalkonsonanten, Seitenlaute, Zitterlaute.

Die Nasalkonsonanten nennt man mitunter auch Verschluss-Öffnungslaute. Im Mundraum bildet sich ein Verschluss, der nicht gesprengt wird, der Luftstrom geht durch den Nasenraum. Zu den Nasalkonsonanten gehören im Deutschen [m], [n], [ŋ].

Die Seitenlaute haben einen Verschluss und zwei Seitenengen. Im Deutschen gehört hierher das [l]. Man bildet dabei mit der Zungenspitze und dem vordersten Teil des Zungenrückens einen Verschluss an den Alveolen der oberen Zähne. Gleichzeitig bilden die seitlichen Zungenränder an den entsprechenden Zahndämmen Engen, durch welche der Luftstrom entweicht.

Die Zitterlaute entstehen durch einen raschen Wechsel von Verschluss und Enge. Hierher gehören im Deutschen das Zungen-Spitzen [r] und das Zäpchen [R]. Das Zungen-Spitzen [r] wird mit Hilfe der Zungenspitze an den Alveolen der oberen Zähne gebildet, das Zäpchen [R] am hinteren Zungenrücken mit dem Zäpchen.

Die Einteilung der Kosonanten in reine und nasale erfolgt nach der Stellung des Gaumensegels bei der Bildung der Konsonanaten.

Bei der Bildung der reinen Konsonanten ist das Gaumensegel gehoben und somit dem Luftstrom der Weg in die Nasenhöhle verschlossen. Die Nasenhöhle nimmt keinen Anteil an der Bildung dieser Konsonanten.

Bei der Bildung der Nasalkonsonanten ist das Gaumensegel gesenkt, und der Luftstrom kann ungehindert durch die Nase entweichen. Zu den Nasalkonsonanten gehören im Deutschen die Konsonantenphoneme [m], [n], [ŋ]. Alle übrigen Konsonanten sind rein, d.h. nicht nasal.

Der artikulierende Organ

Nach dem artikulierenden Organ teilt man die deutschen Konsonantenphoneme in folgende Gruppen ein: Lippenlaute, Vorderzungenlaute, Mittelzungenlaute, Hinterzungenlaute, uvulare Laute und pharyngale Laute.

Die Lippenlaute werden mit Hilfe beider Lippen gebildet. Hierher gehören [p] und [b]. Bei den Zahnlippenlauten ist die untere Lippe das artikulierende Organ. Die untere Lippe nähert sich den oberen Zähnen, und es bildet sich auf diese Weise eine Enge. Zahnlippenlaute sind im Deutschen die Konsonanten [f] und [v].

Das artikulierende Organ bei der Bildung der Vorderzungenlaute ist die Vorderzunge (bzw. Die Zungenspitze). Die Zungenspitze und der vorderste Teil der Zunge bilden Enge und Verschlüsse an den Alveolen der oberen Zähne und dem vordersten Teil des harten Gaumens. Auf diese Weise entstehen die Vorderzungenkonsonanten [t], [d], [s], [z], [∫], [n], [l] und [r].

Bei der Bildung der Mittelzungenkonsonanten hebt sich der mittlere Zungenrücken zum harteren Gaumen und bildet hier eine Enge. Mittelzungenkonsonanten sind im Deutschen die Laute [ς] und [j].

Die Hinterzungenkonsonanten entstehen durch die Hebung des hinteren Teils der Zunge zum weichen Gaumen. Zwischen der Hinterzunge und dem weichen Gaumen werden Verschlüsse und Engen gebildet. So entstehen die Konsonanten [k], [g], [ŋ], [x].

Uvulare Laute werden mit der Uvula (dem Zäpchen) gebildet, die am hinteren Teil des Zungenrückens in schwingende Bewegungen versetzt wird. Auf diese Weise entsteht das deutsche Zäpchen [R].

Bei der Bildung der pharingalen Konsonanten ist der Pharinx (Rachen) das artikulierende Organ. Aktiv ist dabei die hintere Rachenwand.

Die Assimilation ist eine Angleichung von Lauten unter dem Einfluß der Nachbarlaute.

Progressive Assimilationistdie Wirkung des vorangehendenLautesauf den folgenden. Der folgende Laut wird an den vorangehenden Laut angeglichen.

Regressive Assimilationist die Wirkung des folgenden Lautes auf den vorangehenden. Der vorangehende Laut wird an den folgenden Laut angeglichen.

Der phonetische Verschleiß(àïîêîïà, âûïàäåíèå, óñå÷åíèå, àôåðåçèñ, ñèíêîïà)isteine lautliche Abnützung von besonders häufig gebrauchenden Wörtern, wobei häufig ein paar Laute verloren gehen. Die unbetonten und schwachbetonten Silben verlieren dabei ein paar Laute zur Erleichterung der Aussprache, vgl.:

Russisch: áàóøêà, ãûòü, ÷¸, ãðþ, ñìîðè, âîùå, òîêà.

Deutsch: is, s, de; dran, drin …; nich, nix…; Frollein, Tschuldigung, füffzehn, füffzig.

 

Die Silbe des Deutschen

Die Silbe entsteht auf dem Wege der natürlichen Gliederung des Redestroms, was durch die Physiologie des Atmungsvorgangs bedingt ist. Eine Silbe ist immer der minimale Abschnitt des Redestroms, der im Laufe eines Atemstoßes (einer Expiration) hervorgebracht wird. Sie ist eine Sprecheinheit, die grundsätzlich keine Bedeutungsträgerin ist.

Die Silbenbildung ist ein physiologisch bedingtes Mittel zur optimalen Gruppierung der benachbarten Laute im Redestrom. Die Silbe sei keine wissenschaftliche Fiktion, wie man manchmal behauptet, sondern eine reale Spracheinheit, genauso wie das Morphem. Obgleich die Silbe recht oft mit dem Morphem zusammenfällt, unterscheidet sich die Silbe von dem Morphem nur dadurch, daß die Silbe keine Bedeutungsträgerin ist.

Man unterscheidet folgende Arten von Silben: offene (die auf einen Vokal ausgehen, vgl. sa-gen), bedingt geschlossene Silben (die man öffnen kann, vgl. fragt, aber fra-gen) und geschlossene Silben (die auf einen Konsonanten ausgehen, vgl. ar-beiten). Unter den offenen Silben kann man gedeckte offene und ungedeckte offene Silben unterscheiden: CV - gedeckt, V - ungedeckt.

Silbentheorien:

a) die Schallfülletheorie (Sonoritätstheorie). Die Begründer dieser Theorie sind E.Sievers und O.Espersen. Sie erklärten die Silbengrenzen durch ein Maximum und ein Minimum von Schallfülle (Sonorität). Bekanntlich haben die Laute unterschiedliche Schallfülle: vgl. Geräuschlaute, Sonanten und Vokale. Diese Theorie ist aber nicht haltbar, weil sie nicht immer der Wirklichkeit entspricht: so haben die Vokale im Flüsterton eine geringere Schallfülle als die Sonanten und die Geräuschlaute;

b) die Expirationstheorie (W.A.Bogorodizkij, R.H.Stetson). Nach dieser Theorie soll jede Silbe einem Atemstoß entsprechen. Die Grenze zwischen den einzelnen Silben liege dort, wo die Ausatmung am schwächsten ist. Diese Theorie ist ebenfalls nicht stichhaltig, weil mit einem Atemstoß man sogar mehrere Silben hintereinander sprechen kann. Eine Silbe entspricht einem Atemstoß nur bei einem sehr langsamen Sprechen oder wenn man skandiert;

c) die Muskelspannungstheorie (L.W. Ščerba, M.Grammont). Nach dieser Theorie liegt die Grenze zwischen den einzelnen Silben dort, wo die Muskelspannung am geringsten ist. Diese Theorie aber trägt einen subjektiven Charakter, denn sie läßt sich kaum experimentell nachweisen.

Typen von Silbengrenzen im einfachen deutschen Wort:

1. Die Silbengrenze befindet sich zwischen langem Vokal und folgendem Konsonanten (Fa-den, le-sen, Wei-zen, deu-tsche). Der lange Vokal ist dabei mit dem folgenden Konsonanten lose verbunden. Die Intensität des Vokals schwächt zum Ende hin etwas ab. In diesem Falle entstehen im Deutschen offene Silben, in denen überhaupt nur lange Vokalphoneme auftreten. Wenn derartige Silben bei Veränderung der Wortform auf einen Konsonanten oder eine Konsonantengruppe enden, nennen wir sie relativ offene Silben, da sie geöffnet werden können (sagst sa-gen, lebt — le-ben, Fuß — Fü-ße).

2. Die Silbengrenze befindet sich zwischen zwei verschiedenen Konsonanten (mit Ausnahme einer Konsonantenverbindung von Verschlußlaut und Sonorlaut) in-den, fes-ten, Käm-pfe, pan-tschen, gan-ze. In diesem Falle bilden sich geschlossene Silben, in denen in der Regel kurze Vokale stehen, die mit dem folgenden Konsonanten eng verbunden sind (fester Anschluß).

3. Die Silbengrenze befindet sich zwischen einem langen Vokalphonem und einer Konsonantenverbindung von Verschlußlaut und Sonorlaut (Pu-blikum, Synta-gma, Si-gnal). Auch in deutschen nicht entlehnten Wörtern tritt diese Silbentrennung auf, wenn ein reduziertes [∂] ausfällt (Ne-bel — ne-blig, Wa-gen — Wa-gner).

4. Die Silbengrenze wird von einem Konsonantenphonem gebildet, das mit dem vorhergehenden kurzen Vokalphonem eng verbunden ist ['vεt∂r] Wetter, ['v x∂˙] Woche, ['va∫∂n] waschen, ['kats∂˙] Katze, ['h pf∂n] Hopfen, ['klat∫∂n] klatschen. Es entstehen dabei geschlossene Silben. Diese Art der Silbenabgrenzung fehlt im Russischen.

5. Die Silbengrenze kann zwischen zwei Vokalphonemen sein (The-ater, Mau-er). Der feste Einsatz dient dann als Grenzsignal nur in betonten Silben.

6. Haben drei Konsonantenphoneme intervokalische Position, so steht die Silbengrenze in der Regel vor dem letzten (Fens-ter, Hälf-te, stampf-te, pantsch-te, pflanz-te, horch-te). Ausnahme bilden Fälle, wo zwischen den zwei letzten Konsonanten ein reduziertes [∂] ausgefallen ist und diese Konsonanten eine Verbindung von einem Verschlußlaut und einem Sonoren darstellen (an-dre, han-dle, nör-gle).