Arten und Funktionen von phonologisch-wesentlichen Merkmalen (ph.w.M.)

Die phonologisch-wesentlichen Merkmale heißen anders "wesentlich", "differenzierend", "relevant", "unterscheidend", "phonematisch", "phonologisch", "distinktiv", "differenzial". Darunter versteht man die charakteristischen Besonderheiten artikulatorisch-akustischer Art, die den meisten Realisationen des Phonems eigen sind. Die Beibehaltung dieser wesentlichen Eigenschaften ermöglicht ihre Identifizierung. Das Phonem ist lineal nicht mehr teilbar. Vertikal aber setzt sich das Phonem aus minimalen Artikulationen zusammen, was mit Einschaltung bzw. Ausschaltung der Stimmlippen begleitet wird. Beispielsweise liegen dem deutschen Phonem /o:/ die folgenden ph.w. Merkmale: Quantität (lang), Qualität (geschlossen), Labialisierung, Reihenzugehörigkeit (hintere Reihe), Zungenhebungsstufe (mittlere Stufe). In diesem Sinne ist das Phonem teilbar.

Man unterscheidet zwei Arten von ph.w. Merkmalen: modaler und lokaler Art. Die ersten beschreiben die Art und Weise, wie das Phonem erzeugt wird (stimmhaft oder stimmlos, offen oder geschlossen, Verschluß- oder Engelaut etc.). Die zweiten beschreiben die Stelle, an der das betreffende Phonem gebildet wird (alveolar, oder palatal oder velar etc.). Die Vokalphoneme besitzen keine lokalen ph.w. Merkmale, denn sie haben keine lokalen Charakteristika.

Die ph.w. Merkmale üben genauso wie die Phoneme drei Funktionen aus: die tektonische (konstitutive, gestaltende), distinktive (unterscheidende, differenzierende) und integrierende (vereinigende). Die erste Funktion ist als Baustoff für Phoneme aufzufassen. Jedes Phonem beruht auf den ph.w. Merkmalen, die diesem Phonem zugrundeliegen, vgl. das Phonem /b/: stimmhaft, ungespannt, explosiv, bilabial.

Die zweite und dritte Funktion von ph.w. Merkmalen treten in der Regel gleichzeitig zutage. Fast jedes ph.w. Merkmal übt gleichzeitig integrierende und distinktive Funktion aus. So vereinigt das ph.w.M. des Verschlusses solche Phoneme wie /b/, /p/, /m/ etc. und gleichzeitig trennt es sie von allen anderen Engephonemen, z.B. von /f/, /s/, /x/ etc. Es gibt aber solche ph.w. Merkmale, die nur die tektonische und distinktive Funktion ausüben, z.B. Vibration (das Phonem /r/).Neben phonologisch-wesentlichen Merkmalen gibt es phonologisch unwesentliche Merkmale ("irrelevante", "reduntante", "phonetische", "integrale"). Sie unterscheiden sich von den ph.w. Merkmalen dadurch, daß sie keine tektonische Funktion ausüben. Sie sind einfach Begleiterscheiningen. Zu ihnen gehören beispielsweise Neueinsatz der Vokalphoneme, Aspiration von den stimmlosen Konsonantenphonemen /p/, /t/, /k/.

6. Begriff der Opposition. Arten von Oppositionen

Zwei Phoneme, die sich wenigstens durch ein einziges phonologisch-wesentliches Merkmal voneinander unterscheiden, bilden eine Opposition, vgl. /a:/ - /a/. Die Oppositionsglieder unterscheiden sich voneinander nur durch ihre Quantität.

Man unterscheidet in der Phonologie die folgenden wichtigsten Oppositionen:

Eindimensionale und mehrdimensionale Oppositionen. Bei der eindimensionalen Opposition gelten die den beiden gemeinsamen ph.w. Merkmale für kein anderes Phonempaar derselben Sprache, vgl.: eindimensional sind die Oppositionen /f/ - /v/, /p/ - /b/, /g/ - /k/ und mehrdimensional sind z.B. /d/ - /b/, denn es gibt /t/ - /p/, oder /g/ -/z/, denn es gibt /k/ - /s/;

Proportionale und isolierte Oppositionen. Bei den proportionalen Oppositionen treffen ihre Merkmale auch für andere Oppositionen zu. Wenn dies nicht der Fall ist, so gelten die Oppositionen als isoliert, vgl.: proportionale Oppositionen - /p/ - /b/, /t/ - /d/, /k/ - /g/, /s/ - /z/, /f/ - /v/; isolierte Oppositionen - /p/ - /S/, /r/ - /l/, /h/ - /k/;

Privative, graduelle, äquipollente Oppositionen. Bei den privativen Oppositionen unterscheiden sich ihre Glieder durch Vorhandensein bzw. Fehlen eines ph.w. Merkmals, vgl. /d/ - /t/, /g/ - /k/, /z/ - /s/. Die graduellen Oppositionen sind solche, deren Glieder sich gleichzeitig verschiedene Grade eines ph.w. Merkmals unterscheiden, vgl. /o:/ - /u:/, /i:/ - /e:/, /ö:/ - /ü:/. Bei den äquipollenten Oppositionen unterscheiden sich ihre Glieder voneinander durch mehrere ph.w. Merkmale, vgl. /p/ - /d/, /g/ - /s/, /t/ - /g/;

Konstante und neutralisierbare (aufhebbare) Oppositionen. Die Konstanten Oppositionen sind unter allen Bedingungen gültig, d.h. ihre ph.w. Merkmale wirken immer differenzierend. Bei den neutralisierbaren Oppositionen können ihre ph.w. Merkmale in bestimmten Positionen aufgehoben werden, vgl. konstant - /p/ -/t/, /k/ - /s/; neutralisierbar - /d/ - /t/, /z/ - /s/. Falls sich eine und dieselbe Opposition in mehreren Phonempaaren wiederholt, so geht es um eine Phonemkorrelation nach dem betreffenden ph.w. Merkmal, vgl. /g/ - /k/, /d/ - /t/, /v/ - /f/ - eine Phonemkorrelation nach der Stimmbeteiligung.