Реферат Курсовая Конспект
Johann Wolfgang von Goethe - раздел Образование, Johann Wolfgang Von Goethe...
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Prolog im Himmel
Der Herr. Die himmlischen Heerscharen.
Nachher Mephistopheles.
Die drei Erzengel treten vor.
RAPHAEL:
Die Sonne tönt, nach alter Weise,
In Brudersphären Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;
Die unbegreiflich hohen Werke
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht.
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
Und bilden wütend eine Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
DER HERR:
Kennst du den Faust?
MEPHISTOPHELES:
Den Doktor?
DER HERR:
Meinen Knecht!
MEPHISTOPHELES:
Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Wenn er mir auch nur verworren dient,
So werd ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Daß Blüt und Frucht die künft’gen Jahre zieren.
MEPHISTOPHELES:
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen.
DER HERR:
Solang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir’s nicht verboten,
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
MEPHISTOPHELES:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten
Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
MEPHISTOPHELES:
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.
DER HERR:
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestigt mit dauernden Gedanken!
Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.
MEPHISTOPHELES
allein:
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
Nacht.
In einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer Faust, unruhig auf seinem Sessel am Pulte.
FAUST:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel –
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Zum letzenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann über Büchern und Papier,
Trübsel’ger Freund, erschienst du mir!
Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb durch gemalte Scheiben bricht!
Beschränkt mit diesem Bücherhauf,
den Würme nagen, Staub bedeckt,
Den bis ans hohe Gewölb hinauf
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Und dies geheimnisvolle Buch,
Von Nostradamus’ eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andren Geist.
Umsonst, daß trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir erklärt:
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnisvollem Trieb
Die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen?
Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Zügen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht:
«Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!
Auf, bade, Schüler, unverdrossen
Die ird’sche Brust im Morgenrot!»
Er beschaut das Zeichen.
Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen
Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
FAUST
abgewendet:
Schreckliches Gesicht!
GEIST:
Du hast mich mächtig angezogen,
An meiner Sphäre lang gesogen,
Und nun –
FAUST:
Weh! ich ertrag dich nicht!
GEIST:
Du flehst eratmend mich zu schauen,
Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehn;
Mich neigt dein mächtig Seelenflehn,
Da bin ich! – Welch erbärmlich Grauen
Faßt Übermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf?
Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf
Und trug und hegte, die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben?
Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang,
Der sich an mich mit allen Kräften drang?
Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert,
In allen Lebenslagen zittert,
Ein furchtsam weggekrümmter Wurm?
FAUST:
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?
Ich bin’s, bin Faust, bin deinesgleichen!
GEIST:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Wehe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselndes Wehen,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
FAUST:
Der du die weite Welt umschweifst,
Geschäftiger Geist, wie nah fühl ich mich dir!
GEIST:
Du gleichst dem Geist, den du begreifst,
Nicht mir!
FAUST
zusammenstürzend:
Nicht dir?
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
Denn heutzutage wirkt das viel.
Ich hab es öfters rühmen hören,
Ein Komödiant könnt einen Pfarrer lehren.
FAUST:
Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;
Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag.
WAGNER:
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist,
Und sieht die Welt kaum einen Feiertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem,
Wie soll man sie durch Überredung leiten?
FAUST:
Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus
Und blast die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufchen ‘raus!
Bewundrung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht –
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!
WAGNER:
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben,
Doch oft um Kopf und Busen bang.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben,
Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh man nur den halben Weg erreicht,
Muß wohl ein armer Teufel sterben.
FAUST:
Das Pergament, ist das der heil’ge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.
WAGNER:
Verzeiht! es ist ein groß Ergetzen,
Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;
Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht,
Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.
FAUST:
O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit
Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
Das ist im Grund der Herren eigner Geist,
In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Da ist’s denn wahrlich oft ein Jammer!
Man läuft euch bei dem ersten Blick davon.
Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer
Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion
Möcht jeglicher doch was davon erkennen.
FAUST:
Ja, was man so erkennen heißt!
Wer darf das Kind beim Namen nennen?
Die wenigen, die was davon erkannt,
Die töricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten,
Dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten,
Hat man von je gekreuzigt und verbrannt.
Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht,
Wir müssen’s diesmal unterbrechen.
WAGNER:
Ich hätte gern nur immer fortgewacht,
Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen.
Doch morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen;
Zwar weiß ich viel, doch möcht’ ich alles wissen.
Ab.
FAUST
allein:
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet (как только у /этой/ головы не пропадает всякая надежда; schwinden – убывать, исчезать; уменьшаться, сравните:: seine Hoffnungen schwinden – он теряет надежду, его надежды рушатся),
Der immerfort an schalem Zeuge klebt (/у головы/ которая постоянно занята пошлым вздором: «клеется к плоской вещи»; immerfort – постоянно, беспрерывно, все время; schal – безвкусный, пресный; пошлый, плоский, бесцветный, серый; das Zeug – материал; материя, ткань; здесь: ерунда, вздор, чепуха),
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt (жадной рукой выкапывает сокровища; gierig – жадный, алчный; der Schatz – сокровище, богатство; graben – копать, рыть),
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet (и рада, когда находит дождевых червей; der Regen – дождь + der Wurm – червь)!
Darf eine solche Menschenstimme hier (можно ли такому человеческому голосу здесь),
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen (звучать, где я меня окружали духи; die Fülle – полнота)?
Doch ach (но увы)! für diesmal dank ich dir (на этот раз я благодарен тебе),
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen (жалчайшему из всех людей: «из сыновей земли»; die Erde + der Sohn).
Du rissest mich von der Verzweiflung los (ты оторвал меня от отчаяния; reißen – рвать; losreißen – отрывать, вырывать),
Die mir die Sinne schon zerstören wollte (которое грозило уже разрушить мои чувства /восприятия/ = свести меня с ума; zerstören – разрушать, разорять, нарушать, портить, уничтожать).
Ach! die Erscheinung war so riesengroß (столь величественным было явление /духа/; der Riese – великан, гигант, исполин + groß),
Daß ich mich recht als Zwerg empfinden sollte (что я вынужден был ощущать себя = что я невольно ощущал себя по-настоящему карликом; der Zwerg – карлик, гном).
FAUST
allein:
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet,
Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt,
Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!
Darf eine solche Menschenstimme hier,
Wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?
Doch ach! für diesmal dank ich dir,
Dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen.
Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon
Ganz nah gedünkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit,
Sein selbst genoß in Himmelsglanz und Klarheit,
Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft
Schon durch die Adern der Natur zu fließen
Und, schaffend, Götterleben zu genießen
Sich ahnungsvoll vermaß, wie muß ich’s büßen!
Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.
Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen;
Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen,
So hatt ich dich zu halten keine Kraft.
Zu jenem sel’gen Augenblicke
Ich fühlte mich so klein, so groß;
Du stießest grausam mich zurück,
Ins ungewisse Menschenlos.
Wer lehret mich? was soll ich meiden?
Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden,
Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen,
Drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;
Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen,
Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle
Erstarren in dem irdischen Gewühle.
Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug
Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr genug,
Wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert.
Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen,
Dort wirket sie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt sie sich und störet Luft und Ruh;
Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu,
Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen,
Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Ihr Instrumente freilich spottet mein,
Mit Rad und Kämmen, Walz und Bügel:
Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;
Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.
Geheimnisvoll am lichten Tag
Läßt sich Natur des Schleiers nicht berauben,
Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag,
Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.
Du alt Geräte, das ich nicht gebraucht,
Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte.
Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
Solang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte.
Weit besser hätt ich doch mein Weniges verpraßt,
Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen!
Was du ererbt von deinem Vater hast,
Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle
Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?
Warum wird mir auf einmal lieblich helle,
Als wenn im nächt’gen Wald uns Mondenglanz umweht?
Ich grüße dich, du einzige Phiole,
Die ich mit Andacht nun herunterhole!
In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst.
Du Inbegriff der holden Schlummersäfte,
Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte,
Erweise deinem Meister deine Gunst!
Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert,
Ich fasse dich, das Streben wird gemindert,
Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach.
Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen,
Die Spiegelflut erglänzt zu meinen Füßen,
Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen,
An mich heran! Ich fühle mich bereit,
Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen,
Zu neuen Sphären reiner Tätigkeit.
Dies hohe Leben, diese Götterwonne!
Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?
Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen Rücken zu!
Vermesse dich, die Pforten aufzureißen,
Vor denen jeder gern vorüberschleicht!
Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen,
Das Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht,
Vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben,
In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt,
Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht!
Du glänzetst bei der Väter Freudenfeste,
Erheitertest die ernsten Gäste,
Wenn einer dich dem andern zugebracht.
Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht,
Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erklären,
Auf einen Zug die Höhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugendnacht.
Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen,
Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen.
Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht;
Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle.
Den ich bereit, den ich wähle,
«Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele,
Als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!
Er setzt die Schale an den Mund.
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Schleichenden, erblichen
Welch tiefes Summen, welch heller Ton
Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?
Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon
Des Osterfestes erste Feierstunde?
Ihr Chöre, singt ihr schon den tröstlichen Gesang,
Mit Spezereien
Hatten wir ihn gepflegt,
Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
Tücher und Binden
Reinlich unwanden wir,
Ach! und wir finden
Selig der Liebende,
Der die betrübende,
Heilsam und übende
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube;
Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.
Zu jenen Sphären wag ich nicht zu streben,
Woher die holde Nachricht tönt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt,
Ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben.
Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuß
Auf mich herab in ernster Sabbatstille;
Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle,
Und ein Gebet war brünstiger Genuß;
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Hat der Begrabene
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
Ist er in Werdeluft
Schaffender Freude nah:
Ach! an der Erde Brust
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schoß.
Reißet von Banden
Freudig euch los!
Tätig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Brüderlich speisenden,
Predigend reisenden,
Wonne verheißenden
Vor dem Tor
Spaziergänger aller Art ziehen hinaus.
EINIGE HANDWERKSBURSCHE:
Warum denn dort hinaus?
ANDRE:
Wir gehn hinaus aufs Jägerhaus.
DIE ERSTEN:
Wir aber wollen nach der Mühle wandern.
EIN HANDWERKSBURSCH:
Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn.
ZWEITER:
Der Weg dahin ist gar nicht schön.
DIE ZWEITEN:
Was tust denn du?
EIN DRITTER:
Ich gehe mit den andern.
VIERTER:
Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr
Die schönsten Mädchen und das beste Bier,
Und Händel von der ersten Sorte.
FÜNFTER:
Du überlustiger Gesell,
Juckt dich zum drittenmal das Fell?
Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich deine Freuden an!
ANDRE:
Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
Sie sind gar niedlich angezogen,
‘s ist meine Nachbarin dabei;
Ich bin dem Mädchen sehr gewogen.
Sie gehen ihren stillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.
ERSTER:
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert.
Geschwind! daß wir das Wildbret nicht verlieren.
Die Hand, die samstags ihren Besen führt
Gehorchen soll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.
BETTLER
singt:
Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen,
So wohlgeputzt und backenrot,
Belieb es euch, mich anzuschauen,
Und seht und mildert meine Not!
Laßt hier mich nicht vergebens leiern!
Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag, den alle Menschen feiern,
Er sei für mich ein Erntetag.
ANDRER BÜRGER:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.
DRITTER BÜRGER:
Herr Nachbar, ja! so laß ich’s auch geschehn:
Sie mögen sich die Köpfe spalten,
ALTE
zu den Bürgermädchen:
Ei! wie geputzt! das schöne junge Blut!
Wer soll sich nicht in euch vergaffen? –
Nur nicht so stolz! es ist schon gut!
Und was ihr wünscht, das wüßt ich wohl zu schaffen.
BÜRGERMÄDCHEN:
Agathe, fort! ich nehme mich in acht,
Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;
Sie ließ mich zwar in Sankt Andreas’ Nacht
Den künft’gen Liebsten leiblich sehen –
DIE ANDRE:
Mir zeigte sie ihn im Kristall,
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;
Ich seh mich um, ich such ihn überall,
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
Mädchen mit stolzen
Höhnenden Sinnen
Möcht ich gewinnen!
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!
Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein Stürmen!
Das ist ein Leben!
Mädchen und Burgen
Müssen sich geben.
Kühn ist das Mühen,
Herrlich der Lohn!
Und die Soldaten
Faust und Wagner.
FAUST:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer kornigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren
Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch würd ich nicht allein mich her verlieren,
Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.
Der Schäfer putzte sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll,
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Mit seinem Ellenbogen;
Sie tanzten rechts, sie tanzten links,
Und alle Röcke flogen.
Sie wurden rot, sie wurden warm
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen!
Er schmeichelte sie doch bei Seit,
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Als ein so Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den schönsten Krug,
Den wir mit frischem Trunk gefüllt,
Ich bring ihn zu und wünsche laut,
Daß er nicht nur den Durst Euch stillt:
Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei Euren Tagen zugelegt.
FAUST:
Ich nehme den Erquickungstrank
Enwidr’ euch allen Heil und Dank.
Habt Ihr es vormals doch mit uns
An bösen Tagen gut gemeint!
Gar mancher steht lebendig hier
Den Euer Vater noch zuletzt
Der heißen Fieberwut entriß,
Als er der Seuche Ziel gesetzt.
Auch damals Ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.
ALLE:
Gesundheit dem bewährten Mann,
Daß er noch lange helfen kann!
FAUST:
Vor jenem droben steht gebückt,
Der helfen lehrt und Hülfe schickt.
Der Vater zeigt dich seinem Knaben,
Ein jeder fragt und drängt und eilt,
Die Fiedel stockt, der Tänzer weilt.
Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die Mützen fliegen in die Höh;
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein,
Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten.
Hier saß ich oft gedankenvoll allein
Und quälte mich mit Beten und mit Fasten.
An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Tränen, Seufzen, Händeringen
Dacht ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.
Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn.
O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes wert gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann,
Der über die Natur und ihre heil’gen Kreise
In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter Mühe sann;
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze Küche schloß,
Und, nach unendlichen Rezepten,
Das Widrige zusammengoß.
Da ward ein roter Leu, ein kühner Freier,
Im lauen Bad der Lilie vermählt,
Und beide dann mit offnem Flammenfeuer
Aus einem Brautgemach ins andere gequält.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Königin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben,
Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir mit höllischen Latwergen
In diesen Tälern, diesen Bergen
Tut nicht ein braver Mann genug,
Die Kunst, die man ihm übertrug,
Gewissenhaft und pünktlich auszuüben?
Wenn du als Jüngling deinen Vater ehrst,
So wirst du gern von ihm empfangen;
Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;
Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort, ihr ew’ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.
Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht
Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,
Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn über schroffen Fichtenhöhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und über Flächen, über Seen
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden,
Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden.
Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt;
Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden.
Wie anders tragen uns die Geistesfreuden
Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Winternächte hold und schön
Ein selig Leben wärmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein würdig Pergamen,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben
Berufe nicht die wohlbekannte Schar,
Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,
Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn
Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;
Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran,
Und nähren sich von deinen Lungen;
Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,
Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen
So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,
Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.
Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen;
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.
FAUST:
Betracht ihn recht! für was hältst du das Tier?
WAGNER:
Für einen Pudel, der auf seine Weise
Sich auf der Spur des Herren plagt.
FAUST:
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
Er um uns her und immer näher jagt?
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hinterdrein.
WAGNER:
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;
Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.
FAUST:
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen
Zu künft’gem Band um unsre Füße zieht.
WAGNER:
Ich seh ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.
FAUST:
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!
WAGNER:
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch,
Er wedelt. Alles Hundebrauch.
FAUST:
Geselle dich zu uns! Komm hier!
WAGNER:
Es ist ein pudelnärrisch Tier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.
FAUST:
Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur
Von einem Geist, und alles ist Dressur.
WAGNER:
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,
Er, der Studenten trefflicher Skolar.
Studierzimmer
Faust mit dem Pudel hereintretend.
FAUST:
Verlassen hab ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahnungsvollem, heil’gem Grauen
In uns die beßre Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe
Mit jedem ungestümen Tun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes Kissen geb ich dir.
Wie du draußen auf dem bergigen Wege
Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir die Pflege,
Ach wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird’s in unserm Busen helle,
Die jetzt meine ganze Seel umfassen,
Will der tierische Laut nicht passen.
Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen,
Was sie nicht verstehn,
Daß sie vor dem Guten und Schönen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,
Wir lernen das Überirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd’ger und schöner brennt
Als in dem Neuen Testament.
Mich drängt’s, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Daß deine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
Pudel, so laß das Heulen,
So laß das Bellen!
Solch einen störenden Gesellen
Mag ich nicht in der Nähe leiden.
Einer von uns beiden
Muß die Zelle meiden.
Ungern heb ich das Gastrecht auf,
Die Tür ist offen, hast freien Lauf.
Aber was muß ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?
Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!
Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!
GEISTER
auf dem Gange:
Drinnen gefangen ist einer!
Bleibet haußen, folg ihm keiner!
Wie im Eisen der Fuchs,
Zagt ein alter Höllenluchs.
Aber gebt acht!
Schwebet hin, schwebet wider,
Auf und nieder,
Und er hat sich losgemacht.
Könnt ihr ihm nützen,
Laßt ihn nicht sitzen!
Denn er tat uns allen
Erst zu begegnen dem Tiere,
Brauch ich den Spruch der Viere:
Salamander soll glühen,
Undene sich winden,
Sylphe verschwinden,
Kobold sich mühen.
Wer sie nicht kennte
Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
Keines der Viere
Steckt in dem Tiere.
Es liegt ganz ruhig und grinst mich an;
Ich hab ihm noch nicht weh getan.
Du sollst mich hören
Stärker beschwören.
Bist du, Geselle
Ein Flüchtling der Hölle?
So sieh dies Zeichen
Dem sie sich beugen,
Die schwarzen Scharen!
Hinter den Ofen gebannt,
Schwillt es wie ein Elefant
Den ganzen Raum füllt es an,
Es will zum Nebel zerfließen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meisters Füßen!
Du siehst, daß ich nicht vergebens drohe.
Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreimal glühende Licht!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.
FAUST:
Wie nennst du dich?
MEPHISTOPHELES:
Die Frage scheint mir klein
Für einen, der das Wort so sehr verachtet,
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.
FAUST:
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzu deutlich weist,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
Nun gut, wer bist du denn?
MEPHISTOPHELES:
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz, das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
FAUST:
Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?
MEPHISTOPHELES:
Bescheidne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt
Gewöhnlich für ein Ganzes hält –
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht,
Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt,
Verhaftet an den Körpern klebt.
Von Körpern strömt’s, die Körper macht es schön,
Ein Körper hemmt’s auf seinem Gange;
Und freilich ist nicht viel damit getan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt
So viel als ich schon unternommen
Ich wußte nicht ihr beizukommen
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand –
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele hab ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut.
So geht es fort, man möchte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser wie der Erden
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!
MEPHISTOPHELES:
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nächsten Male mehr davon!
Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennenlernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die Türe,
Ein Rauchfang ist dir auch gewiß.
MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich’s nur! daß ich hinausspaziere,
Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfuß auf Eurer Schwelle –
FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Hölle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?
Wie ward ein solcher Geist betrogen?
MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen:
Der eine Winkel, der nach außen zu,
Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen,
Die Sache sieht jetzt anders aus:
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.
FAUST:
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?
MEPHISTOPHELES:
‘s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:
Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus.
Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen,
Und wir besprechen das zunächst
Doch jetzo bitt ich, hoch und höchst,
Für dieses Mal mich zu entlassen.
FAUST:
So bleibe doch noch einen Augenblick,
Um mir erst gute Mär zu sagen.
MEPHISTOPHELES:
Jetzt laß mich los! ich komme bald zurück;
Dann magst du nach Belieben fragen.
FAUST:
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen.
Den Teufel halte, wer ihn hält!
Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit
Durch meine Künste würdig zu vertreiben.
FAUST:
Ich seh es gern, das steht dir frei;
Nur daß die Kunst gefällig sei!
MEPHISTOPHELES:
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen
In dieser Stunde mehr gewinnen
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schönen Bilder, die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen,
Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entzückt sich dein Gefühl.
Schwindet, ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Reizender schaue
Freundlich der blaue
Äther herein!
Wären die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
Schwebet vorüber.
Sehnende Neigung
Folget hinüber;
Und der Gewänder
Flatternde Bänder
Decken die Länder,
Decken die Laube,
Wo sich fürs Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bei Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
Stürzt ins Behälter
Drängender Kelter,
Stürzen in Bächen
Schäumende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Höhen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Genügen
Grünender Hügel.
Und das Geflügel
Schlürfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Chören
Jauchzende hören,
Über den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freien
Alle zerstreuen.
Einige klimmen
Über die Höhen,
Andere schwimmen
Über die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne,
Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten,
Befiehlt dir, dich hervorzuwagen
Und diese Schwelle zu benagen,
So wie er sie mit Öl betupft –
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte,
FAUST
erwachend:
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang,
Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen,
Und daß ein Pudel mir entsprang?
Studierzimmer
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?
MEPHISTOPHELES:
Ich bin’s.
FAUST:
Herein!
MEPHISTOPHELES:
Du mußt es dreimal sagen.
FAUST:
Herein denn!
MEPHISTOPHELES:
So gefällst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen;
Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
In rotem, goldverbrämtem Kleide,
Das Mäntelchen von starrer Seide,
Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frei,
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich möchte bittre Tränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfüllen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommner Gast.
FAUST:
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blut’gen Lorbeern um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Mädchens Armen findet!
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahin gesunken!
MEPHISTOPHELES:
Und doch hat jemand einen braunen Saft,
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock- und Gaukelwerk umspannt,
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!
Verflucht voraus die hohe Meinung
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt
Des Ruhms, der Namensdauer Trug!
GEISTERCHOR
unsichtbar:
Weh! weh!
Du hast sie zerstört
Die schöne Welt,
Mit mächtiger Faust;
Sie stürzt, sie zerfällt!
Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
Wir tragen
Die Trümmern ins Nichts hinüber,
Und klagen
Über die verlorne Schöne.
Mächtiger
Der Erdensöhne,
Prächtiger
Baue sie wieder,
In deinem Busen baue sie auf!
Neuen Lebenslauf
Beginne,
Mit hellem Sinne,
Dies sind die Kleinen
Von den Meinen.
Höre, wie zu Lust und Taten
Altklug sie raten!
In die Welt weit,
Aus der Einsamkeit
Wo Sinnen und Säfte stocken,
Wollen sie dich locken. Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der, wie ein Geier, dir am Leben frißt;
Die schlechteste Gesellschaft läßt dich fühlen,
Daß du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist’s nicht gemeint
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du, mit mir vereint,
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Dazu hast du noch eine lange Frist.
FAUST:
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus;
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
MEPHISTOPHELES:
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
Die andre mag darnach entstehn.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig haßt und liebt,
Und ob es auch in jenen Sphären
Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen,
Mit Freuden meine Künste sehn,
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
FAUST:
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefaßt?
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt,
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt,
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet,
Der Ehre schöne Götterlust,
Die, wie ein Meteor, verschwindet?
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
FAUST:
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,
Es sei die Zeit für mich vorbei!
MEPHISTOPHELES:
Bedenk es wohl, wir werden’s nicht vergessen.
FAUST:
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,
Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus,
Als Diener meine Pflicht erfüllen.
Nur eins!– Um Lebens oder Sterbens willen
Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt,
Wer mag sich gern davon befreien?
Beglückt, wer Treue rein im Busen trägt,
Kein Opfer wird ihn je gereuen!
Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt,
Ist ein Gespenst, vor dem sich alle scheuen.
Das Wort erstirbt schon in der Feder,
Die Herrschaft führen Wachs und Leder.
Was willst du böser Geist von mir?
Erz, Marmor, Pergament, Papier?
Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?
Wie magst du deine Rednerei
Nur gleich so hitzig übertreiben?
Ist doch ein jedes Blättchen gut.
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.
FAUST:
Wenn dies dir völlig Gnüge tut,
So mag es bei der Fratze bleiben.
MEPHISTOPHELES:
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist grade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
In deinen Rang gehör ich nur.
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur
Des Denkens Faden ist zerrissen
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuß,
Gelingen und Verdruß
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!
FAUST:
Du hörest ja, von Freud’ ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem innern Selbst genießen,
Mit meinem Geist das Höchst’ und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern,
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut
Daß von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!
Glaub unsereinem, dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew’gen Glanze
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang.
Ich dächt, ihr ließet Euch belehren.
Assoziiert Euch mit einem Poeten,
Laßt den Herrn in Gedanken schweifen,
Und alle edlen Qualitäten
Auf Euren Ehrenscheitel häufen,
Des Löwen Mut,
Des Hirsches Schnelligkeit,
Des Italieners feurig Blut,
Des Nordens Dau’rbarkeit.
Laßt ihn Euch das Geheimnis finden,
Großmut und Arglist zu verbinden,
Und Euch, mit warmen Jugendtrieben,
Nach einem Plane zu verlieben.
Möchte selbst solch einen Herren kennen,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
MEPHISTOPHELES:
Du bist am Ende – was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,
Du bleibst doch immer, was du bist.
FAUST:
Ich fühl’s, vergebens hab ich alle Schätze
Des Menschengeists auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niedersetze,
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheiter machen,
Eh uns des Lebens Freude flieht.
Was Henker! freilich Händ und Füße
Und Kopf und H–, die sind dein;
Doch alles, was ich frisch genieße,
Ist das drum weniger mein?
Wenn ich sechs Hengste zahlen kann,
Sind ihre Kräfte nicht die meine?
Das Beste, was du wissen kannst,
Der arme Knabe wartet lange,
Der darf nicht ungetröstet gehn.
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze;
Die Maske muß mir köstlich stehn.
Er kleidet sich um.
Nun überlaß es meinem Witze!
Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;
Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!
MEPHISTOPHELES
in Fausts langem Kleide:
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft,
Des Menschen allerhöchste Kraft,
Laß nur in Blend- und Zauberwerken
Dich von dem Lügengeist bestärken,
So hab ich dich schon unbedingt –
Ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben,
Der ungebändigt immer vorwärts dringt,
Und dessen übereiltes Streben
Der Erde Freuden überspringt.
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor gier’gen Lippen schweben;
Ich bin allhier erst kurze Zeit,
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,
Den alle mir mit Ehrfucht nennen.
MEPHISTOPHELES:
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?
SCHÜLER:
Ich bitt Euch, nehmt Euch meiner an!
Ich komme mit allem guten Mut,
Leidlichem Geld und frischem Blut;
Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;
Möchte gern was Rechts hieraußen lernen.
MEPHISTOPHELES:
In diesen Mauern, diesen Hallen
Will es mir keineswegs gefallen.
Es ist ein gar beschränkter Raum,
Man sieht nichts Grünes, keinen Baum,
Und in den Sälen, auf den Bänken,
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
MEPHISTOPHELES:
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
So nimmt ein Kind der Mutter Brust
Nicht gleich im Anfang willig an,
Doch bald ernährt es sich mit Lust.
So wird’s Euch an der Weisheit Brüsten
Mit jedem Tage mehr gelüsten.
SCHÜLER:
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
MEPHISTOPHELES:
Da seid Ihr auf der rechten Spur;
Doch müßt Ihr Euch nicht zerstreuen lassen.
SCHÜLER:
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Doch freilich würde mir behagen
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen,
Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen.
Mein teurer Freund, ich rat Euch drum
Zuerst Collegium Logicum.
Da wird der Geist Euch wohl dressiert,
In spanische Stiefeln eingeschnürt,
Daß er bedächtiger so fortan
Hinschleiche die Gedankenbahn,
Und nicht etwa, die Kreuz und Quer,
Irrlichteliere hin und her.
Dann lehret man Euch manchen Tag,
Daß, was Ihr sonst auf einen Schlag
Getrieben, wie Essen und Trinken frei,
Eins! Zwei! Drei! dazu nötig sei.
Zwar ist’s mit der Gedankenfabrik
Wie mit einem Weber-Meisterstück,
Wo ein Tritt tausend Fäden regt,
Die Schifflein herüber hinüber schießen,
Die Fäden ungesehen fließen,
Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.
Der Philosoph, der tritt herein
Und beweist Euch, es müßt so sein:
Das Erst wär so, das Zweite so,
Und drum das Dritt und Vierte so;
Und wenn das Erst und Zweit nicht wär,
Das Dritt und Viert wär nimmermehr.
Das preisen die Schüler allerorten,
Sind aber keine Weber geworden.
Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist heraus zu treiben,
Kann Euch nicht eben ganz verstehen.
MEPHISTOPHELES:
Das wird nächstens schon besser gehen,
Wenn Ihr lernt alles reduzieren
Und gehörig klassifizieren.
SCHÜLER:
Nachher, vor allen andern Sachen,
Müßt Ihr Euch an die Metaphysik machen!
Da seht, daß Ihr tiefsinnig faßt,
Was in des Menschen Hirn nicht paßt;
Für was drein geht und nicht drein geht,
Ein prächtig Wort zu Diensten steht.
Doch vorerst dieses halbe Jahr
Nehmt ja der besten Ordnung wahr.
Fünf Stunden habt Ihr jeden Tag;
Seid drinnen mit dem Glockenschlag!
Habt Euch vorher wohl präpariert,
Paragraphos wohl einstudiert,
Kann man getrost nach Hause tragen.
MEPHISTOPHELES:
Doch wählt mir eine Fakultät!
SCHÜLER:
Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.
MEPHISTOPHELES:
Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,
Ich weiß, wie es um diese Lehre steht.
Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!
Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.
O glücklich der, den Ihr belehrt!
Fast möcht ich nun Theologie studieren.
MEPHISTOPHELES:
Ich wünschte nicht, Euch irre zu führen.
Was diese Wissenschaft betrifft,
Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden,
Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,
Und von der Arzenei ist’s kaum zu unterscheiden.
Am besten ist’s auch hier, wenn Ihr nur einen hört,
Und auf des Meisters Worte schwört.
Im ganzen – haltet Euch an Worte!
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
SCHÜLER:
Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,
Allem ich muß Euch noch bemühn.
Wollt Ihr mir von der Medizin
Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?
Drei Jahr ist eine kurze Zeit,
Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.
MEPHISTOPHELES
für sich:
Ich bin des trocknen Tons nun satt,
Muß wieder recht den Teufel spielen.
Laut:
Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;
Ihr durchstudiert die groß, und kleine Welt,
Um es am Ende gehn zu lassen,
Wie’s Gott gefällt.
Vergebens, daß Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,
Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;
Doch der den Augenblick ergreift,
Das ist der rechte Mann.
Ihr seid noch ziemlich wohl gebaut,
An Kühnheit wird’s Euch auch nicht fehlen,
Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,
Vertrauen Euch die andern Seelen.
Besonders lernt die Weiber führen;
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren,
Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,
Dann habt Ihr sie all unterm Hut.
Ein Titel muß sie erst vertraulich machen,
Daß Eure Kunst viel Künste übersteigt;
Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,
Um die ein andrer viele Jahre streicht,
Versteht das Pülslein wohl zu drücken,
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,
Und grün des Lebens goldner Baum.
SCHÜLER:
Ich schwör Euch zu, mir ist’s als wie ein Traum.
Dürft ich Euch wohl ein andermal beschweren,
Von Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?
MEPHISTOPHELES:
Sehr wohl.
Er schreibt und gibt’s.
SCHÜLER
liest:
Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum.
Macht’s ehrerbietig zu und empfiehlt sich.
MEPHISTOPHELES:
Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange,
Dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!
Mit welcher Freude, welchem Nutzen
Wirst du den Cursum durchschmarutzen!
FAUST:
Allein bei meinem langen Bart
Fehlt mir die leichte Lebensart.
Es wird mir der Versuch nicht glücken;
Ich wußte nie mich in die Welt zu schicken.
Vor andern fühl ich mich so klein;
Ich werde stets verlegen sein.
MEPHISTOPHELES:
Wir breiten nur den Mantel aus,
Der soll uns durch die Lüfte tragen.
Du nimmst bei diesem kühnen Schritt
Nur keinen großen Bündel mit.
Ein bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,
Hebt uns behend von dieser Erde.
Auerbachs Keller in Leipzig
Zeche lustiger Gesellen.
FROSCH:
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seid ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
BRANDER:
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerei.
FROSCH
gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf:
Da hast du beides!
BRANDER:
Doppelt Schwein!
FROSCH:
Ihr wollt es ja, man soll es sein!
SIEBEL:
Zur Tür hinaus, wer sich entzweit (за дверь /того/, кто ссорится; sich entzweien – рассориться, поссориться)!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit (с открытой грудью = громко пойте рунду, пейте и кричите; das Runda – рунда, студенческая застольная песня, в который все поочереди поют строфы, подхватываемые затем хором товарищей; saufen – пить /о животных/, пить, пьянствовать; schreien – кричать, орать, вопить)!
Auf! Holla! Ho!
ALTMAYER:
Weh mir, ich bin verloren (горе мне, я пропал; verlieren – терять, проигрывать, verloren sein – пропадать, погибать)!
Baumwolle her (хлопок сюда /заткнуть уши/; die Baumwolle – хлопок)! der Kerl sprengt mir die Ohren (парень сейчас оглушит меня: «взорвет мне уши»; sprengen – подрывать, взрывать).
SIEBEL:
Wenn das Gewölbe widerschallt (когда свод отражает звук; das Gewölbe – свод; widerschallen = widerhallen – отражаться /о звуке/; der Schall – звук),
Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt (тут-то и чувствуешь мощную силу баса; erst recht – и подавно; der Grund – основа + die Gewalt – власть, сила).
FROSCH:
So recht, hinaus mit dem, der etwas übel nimmt (так правильно, вон/прочь того, кто на что-нибудь обижается; übelnehmen – обижаться)!
A! tara lara da!
ALTMAYER:
A! tara lara da!
SIEBEL:
Zur Tür hinaus, wer sich entzweit!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreit!
Auf! Holla! Ho!
ALTMAYER:
Weh mir, ich bin verloren!
Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
SIEBEL:
Wenn das Gewölbe widerschallt,
Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
FROSCH:
So recht, hinaus mit dem, der etwas übel nimmt!
A! tara lara da!
ALTMAYER:
A! tara lara da!
FROSCH:
Die Kehlen sind gestimmt (глотки = голоса настроены; die Kehle – горло, гортань, глотка; stimmen – настраивать /музыкальный инструмент/).
Singt (поет):
Das liebe Heil’ge Röm’sche Reich (любимая Священная Римская империя),
Wie hält’s nur noch zusammen ( как долго мы продержимся: «как /все/ это еще только держится»; sich zusammenhalten – держаться, быть крепко соединенным, не распадаться)?
BRANDER:
Ein garstig Lied (мерзкая песня; garstig – скверный, гадкий, мерзкий, гнусный)! Pfui (Фу)! ein politisch Lied (политическая песня)!
Ein leidig Lied (отвратительная песня; leidig – гадкий, скверный, отвратительный, гнусный)! Dankt Gott mit jedem Morgen (благодарите Господа каждое утро),
Daß ihr nicht braucht fürs Röm’sche Reich zu sorgen (что вам не нужно заботиться о Римской империи)!
Ich halt es wenigstens für reichlichen Gewinn (по крайней мере, я считаю, мне повезло: «я считаю весьма выгодным»; wenigstens – по крайней мере, по меньшей мере, хотя бы; reichlich – весьма, очень, достаточно, основательно; der Gewinn – выигрыш, прибыль, доход, выгода, польза),
Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin (что я не кайзер и не канцлер).
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen (но и у нас должен быть: «не должен отсутствовать» свой начальник; der Oberhaupt – глава, руководитель, начальник);
Wir wollen einen Papst erwählen (давайте выберем /собственного/ Папу /Римского/; wollen wir – давайте... Церемония избрания «папы» на пьяных пиршествах была широко распространена во всех европейских странах (в России этот обычай укоренился при дворе Петра I). стихи намекают на шутовской обряд установления пола до признания кандидата достойным «папского сана» (обычай этот явно связан с легендой о папессе Иоанне – женщине, якобы воссевшей в IX веке на папский престол под именем Иоанна VIII)).
Ihr wißt, welch eine Qualität (вы знаете, какое качество)
Den Ausschlag gibt, den Mann erhöht (имеет решающее значение, которое возвышает мужчину /над женщиной/; den Ausschlag geben – иметь решающее значение).
FROSCH
singt:
Schwing dich auf, Frau Nachtigall (взвейся, госпожа соловей; aufschwingen – взвиваться, возноситься; die Nachtigall – соловей),
Grüß mir mein Liebchen zehentausendmal (передай привет моей возлюбленной десять тысяч раз).
SIEBEL:
Dem Liebchen keinen Gruß (никаких приветов возлюбленной)! ich will davon nichts hören (ничего не хочу об этом слышать)!
FROSCH:
Dem Liebchen Gruß und Kuß (любимой привет и поцелуй; der Kuß – поцелуй)! du wirst mir’s nicht verwehren (ты не запретишь мне это; verwehren – запрещать, препятствовать, отказывать)!
Singt:
Riegel auf! in stiller Nacht (отпирай засов! тихой ночью; der Riegel – задвижка, засов).
Riegel auf! der Liebste wacht (отпирай засов! возлюбленный не спит; wachen – бодрствовать, не спать).
Riegel zu! des Morgens früh (запирай засов! рано утром).
FROSCH:
FROSCH
singt:
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angeführt, dir wird sie’s auch so machen.
Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist für die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Gruße wissen,
BRANDER
auf den Tisch schlagend:
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn, gesteht, ich weiß zu leben
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muß, nach Standsgebühr,
Zur guten Nacht ich was zum besten geben.
Gebt acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kräftig mit!
Er singt:
Es war eine Ratt im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t,
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt ihr Gift gestellt;
Da ward’s so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb im Leibe.
CHORUS
jauchzend:
Als hätte sie Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus (она бросалась то туда, то сюда; fahren – ездить; совершать быстрое движение; herum – вокруг; heraus – наружу),
Und soff aus allen Pfützen (и пила изо всех луж; saufen; die Pfütze – лужа),
Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus (изгрызла, исцарапала весь дом; zernagen – перегрызать, прогрызать, изгрызать;nagen – грызть; zerkratzen – исцарапать, расцарапать; kratzen – царапать),
Wollte nichts ihr Wüten nützen (ее неистовство ни к чему не приводило; wüten – бушевать, неистовствовать, свирепствовать; die Wut – бешенство; nützen – годиться, быть полезным /выгодным/, приносить пользу, быть на руку, wollte nichts nützen – сравните: das kann uns wenig nützen – это нам ни к чему, это нам ничего не даст);
Sie tät gar manchen Ängstesprung (она сделала несколько испуганных прыжков; die Angst + der Sprung – прыжок, скачок),
Bald hatte das arme Tier genung (и скоро бедной зверушке это надоело; arm – бедный; genung = genug – достаточный),
Als hätt es Lieb im Leibe (как будто она была влюблена).
CHORUS:
Als hätt es Lieb im Leibe.
BRANDER:
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt’, zerkratzt, das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüten nützen;
Sie tät gar manchen Ängstesprung,
Sie kam vor Angst am hellen Tag
Der Küche zugelaufen,
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
BRANDER:
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
ALTMAYER:
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Unglück macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild.
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht über Kopfweh klagen,
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
FROSCH:
Wahrhaftig, du hast recht! Mein Leipzig lob ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
SIEBEL:
Für was siehst du die Fremden an?
FROSCH:
Laß mich nur gehn! Bei einem vollen Glase
Zieh ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.
Was hinkt der Kerl auf einem Fuß?
MEPHISTOPHELES:
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann,
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wußt er viel zu sagen,
Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.
MEPHISTOPHELES
singt:
Es war einmal ein König
Der hatt einen großen Floh,
Den liebt, er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
In Sammet und in Seide
War er nun angetan
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt auch ein Kreuz daran
Und war sogleich Minister,
Und hatt einen großen Stern.
Und Herrn und Fraun am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königin und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich, wenn einer sticht.
CHORUS
jauchzend:
Wir knicken und ersticken
Aus unserm Keller was zum besten.
SIEBEL:
Nur immer her! ich nehm’s auf mich.
FROSCH:
Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben
Denn wenn ich judizieren soll,
Verlang ich auch das Maul recht voll.
MEPHISTOPHELES
nimmt den Bohrer. Zu Frosch:
Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?
FROSCH:
Wie meint Ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
MEPHISTOPHELES:
ALTMAYER
zu Frosch:
Aha! du fängst schon an, die Lippen abzulecken.
FROSCH:
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
MEPHISTOPHELES
indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, ein Loch in den Tischrand bohrt:
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
ALTMAYER:
Ach, das sind Taschenspielersachen.
Ich will Champagner Wein,
Und recht moussierend soll er sein!
Mephistopheles bohrt; einer hat indessen die Wachspfropfen gemacht und verstopft.
Man kann nicht stets das Fremde meiden
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
SIEBEL
indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert:
Ich muß gestehn, den sauern mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
MEPHISTOPHELES
bohrt (сверлит /отверстие/):
Euch soll sogleich Tokayer fließen (для вас: «вам» сейчас потечет токайское; sogleich – сейчас, тотчас, немедленно, сию минуту).
ALTMAYER:
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht (нет, господа, поглядите мне в лицо)!
Ich seh es ein, ihr habt uns nur zum besten (я вижу, вы лишь смеетесь над нами; jemanden zum besten haben /halten/ – поднимать на смех, дразнить кого-либо, подтрунивать над кем-л, дурачить кого-либо).
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Mit solchen edlen Gästen (ай-яй-яй, с такими благородными гостями)
Wär es ein bißchen viel gewagt (это было бы несколько рискованно; gewagt – рискованно, опасно; wagen – осмеливаться, рисковать).
Geschwind (быстренько)! Nur grad heraus gesagt (выкладывайте, говорите: «только прямо наружу высказано»; heraus damit! heraus mit der Sprache! – говори/те/ не стесняясь! рассказывай/те/! выкладывай/те/)!
Mit welchem Weine kann ich dienen (каким вином я могу услужить)?
ALTMAYER:
Mit jedem (любым)! Nur nicht lang gefragt (только не расспрашивайте долго).
Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind (после того, как все отверстия просверлены и заткнуты затычками).
MEPHISTOPHELES
bohrt:
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
ALTMAYER:
Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!
ALLE
singen:
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!
MEPHISTOPHELES:
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl’s ihm geht!
FAUST:
Ich hätte Lust, nun abzufahren.
MEPHISTOPHELES:
Gib nur erst acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
SIEBEL
trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde und wird zur Flamme:
Helft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!
MEPHISTOPHELES
die Flamme besprechend (заклиная пламя; besprechen – заговаривать, заклинать):
Sei ruhig, freundlich Element (успокойся: «будь спокойна», дружественная стихия; das Element – стихия)!
Zu den Gesellen (приятелям/студентам):
Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer (на этот раз была только капля чистилища; fegen – чистить, мести + das Feuer).
SIEBEL:
Was soll das sein (что такое: «что это должно быть /по вашему мнению/»)? Wart (постойте)! Ihr bezahlt es teuer (вы дорого заплатите за это)!
Es scheinet, daß Ihr uns nicht kennt (не на тех напали: «кажется, что вы нас не знаете»).
FROSCH:
Laß Er uns das zum zweiten Male bleiben (лучше вам не повторять этого/попробуйте только повторить это: «лучше оставьте остаться = оставьте несделанным нам это во второй раз)!
ALTMAYER:
Ich dächt, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn (я думаю: «думал бы», мы скажем ему совсем осторожно уйти в сторону = убраться подобру-поздорову; sacht – легкий, нежный; тихий; медленный; еле заметный; осторожный).
SIEBEL:
Was, Herr? Er will sich unterstehn (что, господин, вы решили /тут/ себе /все/ позволить = да как вы смеете; сравните: was unterstehen Sie sich? – как вы смеете?),
Und hier sein Hokuspokus treiben (/и решили/ здесь ваши фокусы показывать)?
ALTMAYER
zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen:
Ich brenne! ich brenne!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrei!
MEPHISTOPHELES
mit ernsthafter Gebärde:
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seid hier und dort!
MEPHISTOPHELES
wie oben:
Irrtum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
Sich nach dem Tische wendend.
Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?
SIEBEL:
Versprichst du mir, ich soll genesen
In diesem Wust von Raserei?
Verlang ich Rat von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelköcherei
Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts Bessers weißt!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Allein es steht in einem andern Buch,
Und ist ein wunderlich Kapitel.
FAUST:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang an zu hacken und zu graben
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beschränkten Kreise,
Ernähre dich mit ungemischter Speise,
Leb mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub,
Den Acker, den du erntest, selbst zu düngen;
Den Spaten in die Hand zu nehmen.
Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bei dem Werke sein.
Ein stiller Geist ist jahrelang geschäftig,
Die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig.
Und alles, was dazu gehört,
Es sind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann’s nicht machen.
Beim Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
MEPHISTOPHELES:
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
DIE TIERE:
So lange wir uns die Pfoten wärmen.
Nein, ein Discours wie dieser da
Ist grade der, den ich am liebsten führe!
zu den Tieren:
So sagt mir doch, verfluchte Puppen,
Was quirlt ihr in dem Brei herum?
DIE TIERE:
DER KATER
macht sich herbei und schmeichelt dem Mephistopheles:
O würfle nur gleich,
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas –
Wie bald bricht das!
Ist hohl inwendig.
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr:
«Ich bin lebendig!»
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt sterben!
Sie ist von Ton,
DER KATER
holt es herunter:
Wärst du ein Dieb,
Wollt ich dich gleich erkennen.
Er lauft zur Kätzin und läßt sie durchsehen.
Sieh durch das Sieb!
Erkennst du den Dieb,
Und darfst ihn nicht nennen?
MEPHISTOPHELES
sich dem Feuer nähernd:
Und dieser Topf?
KATER UND KÄTZIN:
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Kessel!
MEPHISTOPHELES:
Unhöfliches Tier!
DER KATER:
FAUST
welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat:
Was seh ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage, nah zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! –
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was Gescheites werden.
Für diesmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
Und selig, wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen!
Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.
Hier sitz ich wie der König auf dem Throne,
DIE TIERE
welche bisher allerlei wunderliche Bewegungen durcheinander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrei:
O sei doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwei Stücke, mit welchen sie herumspringen.
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen –
FAUST
gegen den Spiegel:
Weh mir! ich werde schier verrückt.
Und wenn es sich schickt,
So sind es Gedanken!
FAUST
wie oben:
Mein Busen fängt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
Faust und Mephistopheles erblickend.
Was ist das hier?
Wer seid ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
MEPHISTOPHELES
welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt und unter die Gläser und Töpfe schlägt:
Entzwei! entzwei!
Da liegt der Brei!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spaß,
Der Takt, du Aas,
Denn freilich ist es eine Weile schon,
Daß wir uns nicht gesehen haben.
Auch die Kultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen;
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,
Der würde mir bei Leuten schaden;
Darum bedien ich mich, wie mancher junge Mann,
DIE HEXE
tanzend:
Sinn und Verstand verlier ich schier,
Seh ich den Junker Satan wieder hier!
MEPHISTOPHELES:
Den Namen, Weib, verbitt ich mir!
DIE HEXE:
Warum? Was hat er Euch getan?
MEPHISTOPHELES:
Er ist schon lang ins Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
Ich bin ein Kavalier, wie andre Kavaliere.
DIE HEXE
lacht unmäßig:
Ha! Ha! Das ist in Eurer Art!
Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!
MEPHISTOPHELES
zu Faust:
Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
Dies ist die Art, mit Hexen umzugehn.
DIE HEXE:
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
MEPHISTOPHELES:
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich Euch ums ältste bitten;
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mindsten stinkt;
Ich will euch gern ein Gläschen geben.
Leise:
Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt
So kann er, wißt Ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
MEPHISTOPHELES:
FAUST
zu Mephistopheles:
Nein, sage mir, was soll das werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden,
Der abgeschmackteste Betrug,
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
MEPHISTOPHELES:
Ei Possen! Das ist nur zum Lachen;
Sei nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
DIE HEXE
mit großer Emphase fängt an, aus dem Buche zu deklamieren:
Du mußt verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei laß gehn,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist’s vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Ich kenn es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drei und Eins, und Eins und Drei
DIE HEXE
fährt fort:
Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Und wer nicht denkt,
Dem wird sie geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
FAUST:
Was sagt sie uns für Unsinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Mich dünkt, ich hör ein ganzes Chor
Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:
Er ist ein Mann von vielen Graden,
Der manchen guten Schluck getan.
Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.
Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
MEPHISTOPHELES
zur Hexe:
Und kann ich dir was zu Gefallen tun,
So darfst du mir’s nur auf Walpurgis sagen.
DIE HEXE:
Hier ist ein Lied! wenn Ihr’s zuweilen singt,
So werdet Ihr besondre Wirkung spüren.
MEPHISTOPHELES
zu Faust:
Komm nur geschwind und laß dich führen;
Du mußt notwendig transpirieren,
Damit die Kraft durch Inn- und Äußres dringt.
Den edlen Müßiggang lehr ich hernach dich schätzen,
Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
Nun bald leibhaftig vor dir sehn.
Leise:
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Kann ungeleitet nach Hause gehn.
So etwas hab ich nie gesehn.
Sie ist so sitt- und tugendreich,
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippe Rot, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergeß ich’s nicht!
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt;
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar!
Sie ging just vorbei.
MEPHISTOPHELES:
Da die? Sie kam von ihrem Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frei
Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei,
Du sprichst ja wie Hans Liederlich,
Der begehrt jede liebe Blum für sich,
Und dünkelt ihm, es wär kein Ehr
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär;
Geht aber doch nicht immer an.
FAUST:
Mein Herr Magister Lobesan,
Laß Er mich mit dem Gesetz in Frieden!
Und das sag ich Ihm kurz und gut:
Wenn nicht das süße junge Blut
Heut Nacht in meinen Armen ruht,
So sind wir um Mitternacht geschieden.
MEPHISTOPHELES:
Bedenkt, was gehn und stehen mag!
Brauchte den Teufel nicht dazu
So ein Geschöpfchen zu verführen.
MEPHISTOPHELES:
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos;
Doch bitt ich, laßt’s Euch nicht verdrießen:
Was hilft’s, nur grade zu genießen?
Die Freud ist lange nicht so groß,
Als wenn Ihr erst herauf, herum
Durch allerlei Brimborium,
Das Püppchen geknetet und zugericht’t
Wie’s lehret manche welsche Geschicht.
FAUST:
Hab Appetit auch ohne das.
MEPHISTOPHELES:
Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß:
Ich sag Euch, mit dem schönen Kind
Geht’s ein für allemal nicht geschwind.
Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebeslust!
MEPHISTOPHELES:
Damit Ihr seht, daß ich Eurer Pein
Will förderlich und dienstlich sein’
Wollen wir keinen Augenblick verlieren,
Will Euch noch heut in ihr Zimmer führen.
FAUST:
Und soll sie sehn? sie haben?
MEPHISTOPHELES:
Nein! Sie wird bei einer Nachbarin sein.
Indessen könnt Ihr ganz allein
An aller Hoffnung künft’ger Freuden
Ab.
MEPHISTOPHELES:
Gleich schenken? Das ist brav! Da wird er reüssieren!
Ich kenne manchen schönen Platz
Und manchen altvergrabnen Schatz;
Ich muß ein bißchen revidieren.
Ab.
Abend(вечер)
Ein kleines reinliches Zimmer (маленькая опрятная комнатка).
MARGARETE
ihre Zöpfe flechtend und aufbindend (Маргарита, заплетая и завязывая косы; der Zopf – коса).
Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt (я бы кое-что = дорого дала, если бы я только знала; drum = darum – за то),
Wer heut der Herr gewesen ist (кого я сегодня встретила: «кто этот господин был сегодня»)!
Er sah gewiß recht wacker aus (он, конечно, выглядел очень славно; wacker – бравый, храбрый, славный, честный, добросовестный, добродетельный)
Und ist aus einem edlen Haus (и /он/ из благородного сословия: «из благородного дома»);
Das konnt ich ihm an der Stirne lesen (это по нему сразу видно: «это я смогла прочитать у него на лбу»; die Stirn – лоб, сравните: das steht ihm an der Stirn geschrieben – это у него на лбу написано, это по его лицу видно) –
Er wär auch sonst nicht so keck gewesen (иначе бы он и не был таким дерзким; keck – смелый, дерзкий, лихой).
Ab (уходит).
Abend.
Ein kleines reinliches Zimmer.
MARGARETE
ihre Zöpfe flechtend und aufbindend.
Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt,
Wer heut der Herr gewesen ist!
Er sah gewiß recht wacker aus
Und ist aus einem edlen Haus;
Das konnt ich ihm an der Stirne lesen –
Er wär auch sonst nicht so keck gewesen.
Ab.
MEPHISTOPHELES:
Herein, ganz leise, nur herein (входите, только тихо, входите же)!
FAUST
nach einigem Stillschweigen (после некоторого молчания; still – тихий /безмолвный/; schweigen – молчать):
Ich bitte dich, laß mich allein (прошу тебя, оставь меня одного)!
MEPHISTOPHELES
herumspürend (осматриваясь вокруг; spüren – чувствовать; чуять; идти по следу):
Nicht jedes Mädchen hält so rein (не всякая девушка содержит /свою комнату/ в таком порядке: «держит так чисто»; rein – чистый, незагрязненный, опрятный, аккуратный).
Ab (уходит).
MEPHISTOPHELES:
Herein, ganz leise, nur herein!
FAUST
nach einigem Stillschweigen:
Ich bitte dich, laß mich allein!
MEPHISTOPHELES
herumspürend:
Nicht jedes Mädchen hält so rein.
Ab.
FAUST
rings aufschauend (осматриваясь кругом):
Willkommen, süßer Dämmerschein (добро пожаловать, милый сумеречный свет; der Dämmerschein – сумерки, сумеречный свет; dämmern – смеркаться; брезжить; неясно вырисовываться; der Schein – свет, сияние; мерцание),
Der du dies Heiligtum durchwebst (который овевает это святилище; das Heiligtum – святыня, святилище; heilig – святой; durchweben – здесь: пронизывать /от weben – ткать/проткать /нитями света/)!
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein (охвати мою душу, сладкая любовная мука),
Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst (ты, которая, томясь, живет росой надежды; der Tau – роса; schmachten – томиться, изнемогать, изнывать)!
Wie atmet rings Gefühl der Stille (как дышит вокруг ощущение покоя),
Der Ordnung, der Zufriedenheit (порядка и радости: «удовлетворения, довольства»)!
In dieser Armut welche Fülle (в этой бедности – какая полнота; die Armut – бедность, нужда, убожество)!
In diesem Kerker welche Seligkeit (в этой темнице – какое блаженство; der Kerker – тюрьма, темница; selig – счастливый, радостный, блаженный)!
Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette (бросается в кожаное кресло у постели; das Bett).
FAUST
rings aufschauend:
Willkommen, süßer Dämmerschein,
Der du dies Heiligtum durchwebst!
Ergreif mein Herz, du süße Liebespein,
Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst!
Wie atmet rings Gefühl der Stille,
Der Ordnung, der Zufriedenheit!
In dieser Armut welche Fülle!
In diesem Kerker welche Seligkeit!
O nimm mich auf, der du die Vorwelt schon
Bei Freud und Schmerz im offnen Arm empfangen!
Wie oft, ach! hat an diesem Väterthron
Schon eine Schar von Kindern rings gehangen!
Vielleicht hat, dankbar für den heil’gen Christ
MEPHISTOPHELES
kommt:
Geschwind! ich seh sie unten kommen.
FAUST:
Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr!
MEPHISTOPHELES:
Hier ist ein Kästchen leidlich schwer,
Ich hab’s wo anders hergenommen.
Stellt’s hier nur immer in den Schrein,
Ich schwör Euch, ihr vergehn die Sinnen;
Ich tat Euch Sächelchen hinein,
Um eine andre zu gewinnen.
Nach Herzens Wunsch und Will zu wenden;
Und Ihr seht drein
Als solltet Ihr in den Hörsaal hinein,
Als stünden grau leibhaftig vor Euch da
Physik und Metaphysika!
Nur fort!
Ab.
MARGARETE
mit einer Lampe (входит Маргарита с лампой в руках).
Es ist so schwül, so dumpfig hie (здесь так душно, такой затхлый воздух; dumpfig – затхлый, душный)
– sie macht das Fenster auf –
(открывает окно)
Und ist doch eben so warm nicht drauß (и при том на улице вовсе не так тепло; drauß = draußen – снаружи).
Es wird mir so, ich weiß nicht wie (у меня такое чувство, не знаю почему) –
Ich wollt, die Mutter käm nach Haus (я хотела бы, чтобы мама пришла домой).
Mir läuft ein Schauer übern ganzen Leib (меня знобит: «дрожь идет по всему телу»; der Schauer – дрожь, озноб; трепет) –
Bin doch ein töricht furchtsam Weib (какая же я глупая трусливая бабенка; töricht – безрассудный, глупый; der Tor – глупец; furchtsam – боязливый, трусливый, робкий; die Furcht – страх)!
Sie fängt an zu singen, indem sie sich auszieht (начинает напевать, раздеваясь).
MARGARETE
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
Sooft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt er seine Städt im Reich,
Gönnt alles seinem Erben,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensglut
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Flut.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer,
Die Augen täten ihm sinken,
Sie putzt sich damit auf und tritt vor den Spiegel.
Wenn nur die Ohrring meine wären!
Man sieht doch gleich ganz anders drein.
Was hilft euch Schönheit, junges Blut?
Das ist wohl alles schön und gut,
Allein man läßt’s auch alles sein;
Spaziergang
FAUST in Gedanken auf und ab gehend.
Die Mutter kriegt das Ding zu schauen
Gleich fängt’s ihr heimlich an zu grauen,
Die Frau hat gar einen feinen Geruch,
Schnuffelt immer im Gebetbuch
Und riecht’s einem jeden Möbel an,
Ob das Ding heilig ist oder profan;
Und an dem Schmuck da spürt, sie’s klar,
Daß dabei nicht viel Segen war.
«Mein Kind», rief sie, «ungerechtes Gut
Befängt die Seele, zehrt auf das Blut.
Wollen’s der Mutter Gottes weihen,
Wird uns mit Himmelsmanna erfreuen!»
Margretlein zog ein schiefes Maul,
Ist halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul,
Und wahrlich! gottlos ist nicht der,
Der ihn so fein gebracht hierher.
Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;
Der hatte kaum den Spaß vernommen,
Ließ sich den Anblick wohl behagen.
Er sprach: «So ist man recht gesinnt!
Wer überwindet, der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen
Und doch noch nie sich übergessen;
Das ist ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud und König kann es auch.
MEPHISTOPHELES:
Strich drauf ein Spange, Kett und Ring’,
Als wären’s eben Pfifferling’,
Dankt’ nicht weniger und nicht mehr,
Als ob’s ein Korb voll Nüsse wär,
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn –
Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.
FAUST:
Des Liebchens Kummer tut mir leid.
Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid!
Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei,
Und schaff einen neuen Schmuck herbei!
MEPHISTOPHELES:
Ja, gnäd’ger Herr, von Herzen gerne.
Faust ab.
So ein verliebter Tor verpufft
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.
Ab.
Der Nachbarin Haus(дом соседки)
Marthe
allein (Марта одна. Краткий монолог Марты, поверяющей публике свои житейские горести, напоминает аналогичные монологи, разъясняющие зрителям драматические ситуации, которыми изобилуют комедии немецкого драматурга и поэта, нюрнбергского сапожника Ганса Сакса (1494-1576).):
Gott verzeih’s meinem lieben Mann (прости, Господь, моему муженьку),
Er hat an mir nicht wohl getan (он поступил со мной нехорошо; wohltun – здесь: делать добро /кому-либо/)!
Geht da stracks in die Welt hinein (отправляется гулять по свету; stracks – прямо, немедленно, сейчас же, обязательно, непременно)
Und läßt mich auf dem Stroh allein (и оставляет меня соломенной вдовой: «одну на соломе» das Stroh – солома).
Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben (а я, право, не огорчала его: wahrlich – действительно, поистине, в самом деле; betrüben – печалить, огорчать, омрачать; trübe – мутный; тусклый; хмурый, мрачный; пасмурный),
Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben (я его, знает Бог, по-настоящему любила).
Sie weint (плачет).
Vielleicht ist er gar tot (а вдруг он уже умер)! – O Pein (о горе; die Pein)! –
Hätt ich nur einen Totenschein (если бы у меня только = хотя бы было свидетельство о смерти; der Totenschein – свидетельство о смерти, der Tote – мертвый, умерший + der Schein – свидетельство /документ/, удостоверение)!
Margarete kommt (входит Маргарита).
Der Nachbarin Haus
Marthe (allein):
Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohl getan!
Geht da stracks in die Welt hinein
Und läßt mich auf dem Stroh allein.
Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben,
Tät ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
Sie weint.
Vielleicht ist er gar tot! – O Pein! –
Hätt ich nur einen Totenschein!
In meinem Schrein, von Ebenholz,
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen
Noch in der Kirche mit sehen lassen.
MARTHE:
Komm du nur oft zu mir herüber,
Und leg den Schmuck hier heimlich an;
Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
Wir haben unsre Freude dran;
Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest,
Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt.
Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;
Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.
MARGARETE:
Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
Es klopft.
Ach Gott! mag das meine Mutter sein?
MARTHE
durchs Vorhängel guckend:
Es ist ein fremder Herr – Herein!
Bin so frei, grad hereinzutreten,
Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.
Tritt ehrerbietig vor Margareten zurück.
Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!
MARTHE:
Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen?
MEPHISTOPHELES
leise zu ihr:
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
Verzeiht die Freiheit, die ich genommen,
Will Nachmittage wiederkommen.
MARTHE
lacht:
Denk, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich für ein Fräulein hält.
MARGARETE:
Ich bin ein armes junges Blut (я – бедная = простая девушка; ein armes /junges/ Blut – бедняжка, бедное дитя);
Ach Gott (Господи)! der Herr ist gar zu gut (господин слишком добр):
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein (украшения-то не мои).
MEPHISTOPHELES:
Ach, es ist nicht der Schmuck allein (ах, это не только украшения);
Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf (у вас такие манеры, такой проницательный взгляд; das Wesen – существо, нрав, характер, поведение; scharf – острый, проницательный)!
Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf (как я рад, что могу остаться).
MARTHE:
Was bringt Er denn (что вы принесли = с чем вы пришли)? Verlange sehr (очень прошу; verlangen – желать) –
MEPHISTOPHELES:
Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär (я бы хотел, чтобы это была более радостная весть; die Märe – сказание, легенда, сага, предание, весть, слух, известие)! –
Ich hoffe, Sie läßt mich’s drum nicht büßen (надеюсь, вы на меня из-за этого не обидитесь: «не заставите меня поплатиться/быть наказанным»; büßen – искупать /вину/; выполнять послушание; /по/каяться, поплатиться, пострадать /из-за чего-либо/):
Ihr Mann ist tot und läßt Sie grüßen (ваш муж умер и передает вам привет: «велит передать привет»).
MARGARETE:
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
MEPHISTOPHELES:
Er liegt in Padua begraben
Beim heiligen Antonius
An einer wohlgeweihten Stätte
Zum ewig kühlen Ruhebette.
MARTHE:
Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?
MEPHISTOPHELES:
Ja, eine Bitte, groß und schwer:
Laß Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!
Im übrigen sind meine Taschen leer.
MARTHE:
Was! nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?
Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart,
Madam, es tut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
Auch er bereute seine Fehler sehr,
Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.
MARGARETE:
Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!
Gewiß, ich will für ihn manch Requiem noch beten.
MEPHISTOPHELES:
Ihr wäret wert, gleich in die Eh’ zu treten:
Ihr seid ein liebenswürdig Kind.
MARGARETE:
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
MARGARETE:
Ich stand an seinem Sterbebette,
Es war was besser als von Mist,
Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ
Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.
«Wie», rief er, «muß ich mich von Grund aus hassen,
So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!
Ach, die Erinnrung tötet mich.
Vergäb sie mir nur noch in diesem Leben!» –
MARTHE
weinend:
Der gute Mann! ich hab ihm längst vergeben.
MEPHISTOPHELES:
«Allein, weiß Gott! sie war mehr schuld als ich.»
MARTHE:
Das lügt er! Was! am Rand des Grabs zu lügen!
MEPHISTOPHELES:
Er fabelte gewiß in letzten Zügen (наверняка он бредил в последние минуты; fabeln – сочинять басни /сказки/, фантазировать, нести вздор; die Fabel – басня; сказка),
Wenn ich nur halb ein Kenner bin (если я хоть чуть-чуть разбираюсь /в людях/: «хоть наполовину знаток»).
«Ich hatte», sprach er, «nicht zum Zeitvertreib zu gaffen (мне не приходилось терять время и ротозейничать: «глазеть /по сторонам/ для времяпровождения»; gaffen – глазеть, глядеть, разинув рот, зевать, ротозейничать),
Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen (сначала пришлось сделать: «добыть» ей детей, а потом добывать хлеб /насущный/),
Und Brot im allerweitsten Sinn (и хлеб – в самом широком смысле),
Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen (и не мог даже спокойно свою часть = свой кусок есть; der Friede – мир, покой).»
MARTHE:
Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen (/разве/ он забыл всю /мою/ верность, всю любовь; vergessen /уст. + Genitiv/ – забывать что-либо),
Der Plackerei bei Tag und Nacht (хлопоты /по хозяйству/ день и ночь; die Plackerei – мучение, хлопоты, возня, канитель; placken – латать, ставить заплату; мучить, докучать; sich placken – мучиться)!
MEPHISTOPHELES:
Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
«Ich hatte», sprach er, «nicht zum Zeitvertreib zu gaffen,
Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,
Und Brot im allerweitsten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.»
MARTHE:
Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht.
Er sprach: «Als ich nun weg von Malta ging,
Da betet ich für Frau und Kinder brünstig;
Uns war denn auch der Himmel günstig,
Daß unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing,
Das einen Schatz des großen Sultans führte.
Als er in Napel fremd umherspazierte;
Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan,
Daß er’s bis an sein selig Ende spürte.
MARTHE:
Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!
Wär ich nun jetzt an Eurem Platze,
Betraurt ich ihn ein züchtig Jahr,
Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.
MARTHE:
Ach Gott! wie doch mein erster war,
Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!
Es konnte kaum ein herziger Närrchen sein.
Er liebte nur das allzuviele Wandern,
Nun, nun, so konnt es gehn und stehen,
Wenn er Euch ungefähr so viel
MEPHISTOPHELES
für sich:
Nun mach ich mich beizeiten fort!
Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort.
Zu Gretchen:
Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?
MARGARETE:
Was meint der Herr damit?
Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.
Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,
Möcht, ihn auch tot im Wochenblättchen lesen.
MEPHISTOPHELES:
Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund;
Habe noch gar einen feinen Gesellen,
Den will ich Euch vor den Richter stellen.
Da hinterm Haus in meinem Garten
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Wie ist’s? Will’s fördern? Will’s bald gehn?
MEPHISTOPHELES:
Ah bravo! Find ich Euch in Feuer?
In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.
Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar’ Marthen sehn:
Das ist ein Weib wie auserlesen
Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!
FAUST:
So recht!
MEPHISTOPHELES:
Ein Dienst ist wohl des andern wert.
MEPHISTOPHELES:
Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder,
Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
In Padua an heil’ger Stätte ruhn.
FAUST:
Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen müssen!
MEPHISTOPHELES:
Sancta Simplicitas! darum ist’s nicht zu tun;
Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.
MEPHISTOPHELES:
O heil’ger Mann! Da wärt Ihr’s nun!
Ist es das erstemal in eurem Leben,
Daß Ihr falsch Zeugnis abgelegt?
Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt,
Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt,
Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?
Mit frecher Stirne, kühner Brust?
Denn morgen wirst, in allen Ehren,
Das arme Gretchen nicht betören
Und alle Seelenlieb ihr schwören?
FAUST:
Nach Namen suche, keinen finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife,
Nach allen höchsten Worten greife,
Und diese Glut, von der ich brenne,
Unendlich, ewig, ewig nenne,
Ist das ein teuflisch Lügenspiel?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab doch recht!
FAUST:
Hör! merk dir dies– Ich bitte dich, und schone meine Lunge –:
Garten
Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend
MARGARETE:
Ich fühl es wohl, daß mich der Herr nur schont,
Herab sich läßt, mich zu beschämen.
Ein Reisender ist so gewohnt,
Aus Gütigkeit fürliebzunehmen;
Ich weiß zu gut, daß solch erfahrnen Mann
Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
FAUST:
Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhält
Als alle Weisheit dieser Welt.
Er küßt ihre Hand.
MARGARETE:
Inkommodiert Euch nicht! Wie könnt Ihr sie nur küssen?
Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab ich nicht schon alles schaffen müssen!
So um und um frei durch die Welt zu streifen;
Doch kömmt die böse Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen,
Das hat noch keinem wohlgetan.
MEPHISTOPHELES:
Mit Grausen seh ich das von weiten.
MARTHE:
Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur,
Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.
FAUST:
Ihr seid wohl viel allein?
MARGARETE:
Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein,
Mein Bruder ist Soldat,
Mein Schwesterchen ist tot.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;
Doch übernähm ich gern noch einmal alle Plage,
Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie sie damals lag,
Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.
Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett; es durfte kaum sich regen,
War ich erwacht;
Bald mußt ich’s tränken, bald es zu mir legen,
Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett aufstehn
Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;
Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.
MEPHISTOPHELES:
Es käme nur auf Euresgleichen an,
Mich eines Bessern zu belehren.
MARTHE:
Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?
Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
MEPHISTOPHELES:
Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,
Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.
MARTHE:
Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?
MEPHISTOPHELES:
Man hat mich überall recht höflich aufgenommen.
MARTHE:
Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in Eurem Herzen?
MEPHISTOPHELES:
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder,
Gleich als ich in den Garten kam?
MARGARETE:
Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.
FAUST:
Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?
Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du jüngst aus dem Dom gegangen?
MARGARETE:
Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
Es konnte niemand von mir Übels sagen.
Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen
Was Freches, Unanständiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.
Gesteh ich’s doch! Ich wußte nicht, was sich
Nein, es soll nur ein Spiel.
FAUST:
Wie?
MARGARETE:
Geht! Ihr lacht mich aus.
Sie rupft und murmelt.
FAUST:
Was murmelst du?
MARGARETE
halblaut:
Er liebt mich– liebt mich nicht.
FAUST:
Du holdes Himmelsangesicht!
MARGARETE
fährt fort:
Liebt mich – nicht – liebt mich – nicht –
MARTHE
kommend:
Die Nacht bricht an.
MEPHISTOPHELES:
Ja, und wir wollen fort.
MARTHE:
Ich bät Euch, länger hier zu bleiben,
Allein es ist ein gar zu böser Ort.
Es ist, als hätte niemand nichts zu treiben
Und nichts zu schaffen,
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt.
Und unser Pärchen?
MEPHISTOPHELES:
Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill’ge Sommervögel!
MARTHE:
Er scheint ihr gewogen.
MEPHISTOPHELES:
FAUST
kommt:
Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich!
Er küßt sie.
MARGARETE
ihn fassend und den Kuß zurückgebend:
Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!
Es ist wohl Zeit zu scheiden.
MARTHE
kommt:
Ja, es ist spät, mein Herr.
FAUST:
Darf ich Euch nicht geleiten?
MARGARETE:
Die Mutter würde mich – Lebt wohl!
FAUST:
Muß ich denn gehn? Lebt wohl!
MARTHE:
Ade!
MARGARETE:
Auf baldig Wiedersehn!
Und sag zu allen Sachen ja.
Bin doch ein arm unwissend Kind,
Begreife nicht, was er an mir findt.
Ab.
Wald und Höhle(лес и пещера/грот)
Faust
allein (Фауст один):
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles (всевышний дух, ты дал мне все; erhaben – выдающийся, великий; возвышенный, благородный),
Warum ich bat (о чем я просил; warum = worum; beten). Du hast mir nicht umsonst (ты не напрасно ко мне)
Dein Angesicht im Feuer zugewendet (обратил свой лик в огне; zuwenden – поворачивать обращать, направлять).
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich (дал мне властвовать над великолепной природой: «дал великолепную природу в качестве царства»),
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen (силу чувствовать ее, наслаждаться ей). Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur (не холодно удивляющееся = любопытствующее посещение ты позволяешь только; staunen – /очень/ удивляться, поражаться, изумляться, дивиться),
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust (/но/ позволяешь мне в ее нутро: «в грудь»; vergönnen – позволять, разрешать)
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen (заглянуть, как в душу: «в грудь» друга).
Du führst die Reihe der Lebendigen (ты проводишь вереницу живущих; die Reihe– ряд, серия шеренга, колонна, вереница)
Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder (перед моими глазами и учишь меня моих братьев /Согласно учению Гердера, которое было очень близко Гёте-натурфилософу, «старейшие братья человека – животные»/)
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen (узнавать = видеть /во всем:/ в тихом кусте = в тихих кустах, в воздухе, в воде).
Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt (и когда буря в лесу бушует и трещит = с треском ломает деревья; knarren – трещать, скрипеть),
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste (/когда/ великанская пихта /ель/, падая, ветви соседних деревьев; der Riese – великан, гигант, исполин, богатырь, колосс + die Fichte; stürzen – свалиться, падать; Nachbaräste, der Nachbar – сосед + der Ast – сук, ветка, ветвь)
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift (и соседние стволы, давя = с силой сбивает вниз = ломает/повергает; quetschen – давить, раздавливать; streifen – задевать, касаться; касательным движением куда-либо приводить/удалять)
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert (и ее падению глухо гремит = отзывается холм; dumpf – глухой /о звуке/; hohl – полый; здесь: глухо, сравните: eine hohle Stimme – глухой голос; der Hügel – холм, пригорок, горка, бугор),
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst (тогда ты ведешь меня в надежную пещеру, показываешь; die Höhle – пещера, грот, берлога, логовище, логово, нора)
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust (затем мне самого себя, и /тогда/ моей собственной душе)
Geheime tiefe Wunder öffnen sich (открываются тайные глубокие чудеса).
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond (и перед моим взором встает чистый месяц)
Besänftigend herüber, schweben mir (успокаивающе надо мной, передо мной парят; besänftigen – успокаивать, усмирять, укрощать, унимать, смягчать /гнев/; sanft – мягкий, нежный; кроткий)
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch (со склонов скал, из влажного кустарника; feucht – сырой, влажный)
Der Vorwelt silberne Gestalten auf (серебряные фигуры старины/древности; die Vorwelt – древние /прошедшие/ времена /эпохи/, древность, предки, прежнее поколение; aufschweben – взлетать, возноситься, воспарить)
Und lindern der Betrachtung strenge Lust (и умеряют строгую радость размышлений; lindern – смягчать, облегчать, утолять, унимать, умерять, успокаивать /боль/; die Betrachtung – рассмотрение, созерцание, наблюдение, рассуждение, ход мыслей, соображения, размышления; betrachten – рассматривать, созерцать).
Wald und Höhle
Faust
allein:
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles,
Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust
Wie in den Busen eines Freunds zu schauen.
Du führst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei und lehrst mich meine Brüder
Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,
Die Riesenfichte stürzend Nachbaräste
Und Nachbarstämme quetschend niederstreift
Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert,
Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
Besänftigend herüber, schweben mir
Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch
Der Vorwelt silberne Gestalten auf
Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
Die mich den Göttern nah und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts,
Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
So tauml’ ich von Begierde zu Genuß,
Und im Genuß verschmacht ich nach Begierde.
Als mich am guten Tag zu plagen.
MEPHISTOPHELES:
Nun, nun! ich laß dich gerne ruhn,
Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
An dir Gesellen, unhold, barsch und toll,
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;
Und wär ich nicht, so wärst du schon
Von diesem Erdball abspaziert.
Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein
Wie eine Kröte Nahrung ein?
Ein schöner, süßer Zeitvertreib!
In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen
Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
Alle sechs Tagewerk im Busen fühlen,
In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
Bald liebewonniglich in alles überfließen,
Das will Euch nicht behagen;
Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen.
Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
Was keusche Herzen nicht entbehren können.
Und kurz und gut, ich gönn Ihm das Vergnügen,
Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
Doch lange hält Er das nicht aus.
Du bist schon wieder abgetrieben
Und, währt es länger, aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng und trüb.
Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,
Sie hat dich übermächtig lieb.
Erst kam deine Liebeswut übergeflossen,
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
Du hast sie ihr ins Herz gegossen,
Nun ist dein Bächlein wieder seicht.
Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
Ließ’ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
Über die alte Stadtmauer hin.
«Wenn ich ein Vöglein wär!» so geht ihr Gesang
Tage lang, halbe Nächte lang.
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
MEPHISTOPHELES
für sich:
Gelt! daß ich dich fange!
FAUST:
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schöne Weib!
Bring die Begier zu ihrem süßen Leib
Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!
MEPHISTOPHELES:
Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn,
Und halb und halb bist du es schon.
FAUST:
Ich bin ihr nah, und wär ich noch so fern,
Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren
Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
FAUST:
Entfliehe, Kuppler!
MEPHISTOPHELES:
Schön! Ihr schimpft, und ich muß lachen.
Der Gott, der Bub’ und Mädchen schuf,
Erkannte gleich den edelsten Beruf,
Auch selbst Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es ist ein großer Jammer!
Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,
Begierig wütend nach dem Abgrund zu?
Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
Und all ihr häusliches Beginnen
Umfangen in der kleinen Welt.
Und ich, der Gottverhaßte,
Stellt er sich gleich das Ende vor.
Es lebe, wer sich tapfer hält!
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt
Als einen Teufel, der verzweifelt.
Gretchens Stube(комната Гретхен)
Gretchen am Spinnrad, allein (Гретхен, одна, за прялкой).
GRETCHEN:
Meine Ruh ist hin (покоя нет; сравните: alles ist hin – все пропало; hin – туда, прочь),
Mein Herz ist schwer (на сердце тяжело);
Ich finde sie nimmer (я его /покой/ не найду никогда)
und nimmermehr (никогда больше).
Gretchens Stube.
Gretchen am Spinnrad, allein.
GRETCHEN:
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab (где = когда его нет /со мной/),
Ist mir das Grab (для меня это могила),
Die ganze Welt (целый мир)
Ist mir vergällt (для меня /как/ отравлен; vergällt – отравленный, испорченный; vergällte Freude – омраченная /отравленная/ радость, vergällen – отравлять; die Galle – желчь).
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergällt.
Mein armer Kopf (моя бедная голова)
Ist mir verrückt (сходит с ума),
Meiner armer Sinn (мой бедный ум)
Ist mir zerstückt (раскалывается на кусочки; zerstückeln – разбить; /раз/делить /разорвать, разрезать/ на куски, искромсать, делить на части, дробить, расчленять, раскалывать; das Stück – кусок).
Mein armer Kopf
Ist mir verrückt,
Meiner armer Sinn
Ist mir zerstückt.
(рефрен)
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Nach ihm nur schau ich (только его я выглядываю)
Zum Fenster hinaus (в окошко),
Nach ihm nur geh ich (только за ним выхожу)
Aus dem Haus (из дому).
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang (его высокая = гордая походка),
Sein edle Gestalt (его благородная фигура),
Seines Mundes Lächeln (улыбка на его лице: «его уст улыбка»),
Seiner Augen Gewalt (сила = колдовство его глаз),
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lächeln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede (и его речи)
Zauberfluß (волшебный поток; der Zauber – колдовство, волшебство),
Sein Händedruck (его рукопожатие; die Hand + drücken – давить, жать),
Und ach (и Боже)! sein Kuß (его поцелуй)!
Und seiner Rede
Zauberfluß,
Sein Händedruck,
Und ach! sein Kuß!
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
Und nimmermehr.
Mein Busen drängt (моя грудь теснится = стремится)
Sich nach ihm hin (к нему),
Ach dürft ich fassen (ах, если бы я могла схватить)
Und halten ihn (и удержать его),
Mein Busen drängt
Sich nach ihm hin,
Ach dürft ich fassen
Und halten ihn,
Und küssen ihn (и целовать его),
So wie ich wollt (/так/ как я хотела бы),
An seinen Küssen (/и/ от его поцелуев)
Vergehen sollt (должна была бы умереть)!
Und küssen ihn,
So wie ich wollt,
An seinen Küssen
Vergehen sollt!
Marthens Garten
Margarete. Faust.
MARGARETE:
Versprich mir, Heinrich!
FAUST:
Was ich kann!
MARGARETE:
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Ich ehre sie.
MARGARETE:
Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?
FAUST:
Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott?
Magst Priester oder Weise fragen,
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: «Ich glaub ihn nicht!»?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Glück! Herz! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
MARGARETE:
Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Es tut mir lange schon weh,
Daß ich dich in der Gesellschaft seh.
FAUST:
Wieso?
MARGARETE:
Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer innrer Seele verhaßt;
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht.
FAUST:
Liebe Puppe, fürcht ihn nicht!
MARGARETE:
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daß er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daß er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das übermannt mich so sehr,
Daß, wo er nur mag zu uns treten,
Ach kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drängen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief’!
Ich ließ dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt,
Ich habe schon so viel für dich getan,
Daß mir zu tun fast nichts mehr übrigbleibt.
Ab.
Mephistopheles tritt auf (появляется Мефистофель).
MEPHISTOPHELES:
Der Grasaff (малышка: «молодая обезьянка»; der Grasaffe – уст. незрелый человек, молокосос: das Gras – трава /здесь: свежая весенняя трава/ + der Affe – обезьяна)! ist er weg (она уже ушла)?
FAUST:
Hast wieder spioniert (снова подслушивал)?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab’s ausführlich wohl vernommen (слышал во всех подробностях; vernehmen – слышать, слушать; ausführlich – подробно),
Herr Doktor wurden da katechisiert (здесь профессора наставляли в катехизисе (/греч./ – краткое изложение основ христианского вероучения в вопросах и ответах));
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen (надеюсь, вам это пошло на пользу).
Die Mädels sind doch sehr interessiert (девушки ведь очень заинтересованы),
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch (набожен ли кто-то = ее избранник и скромен ли по старому обычаю; schlicht – простой, скромный; der Brauch).
Sie denken (они думают): duckt er da, folgt er uns eben auch (если он покоряется здесь /т.е. религии, воле Бога/, так и за нами последует = и нас будет слушаться; ducken – нагибать, наклонять /голову/, покоряться).
FAUST:
Du Ungeheuer siehst nicht ein (ты, чудовище, не понимаешь; einsehen – понимать, осознавать),
Wie diese treue liebe Seele (как эта верная милая душа)
Von ihrem Glauben voll (полна своей веры; der Glaube),
Der ganz allein (которая /вера/, совершенно единственно)
Ihr seligmachend ist (спасительна для нее: «делающая ее блаженной = дарующая блаженство»; selig – блаженный), sich heilig quäle (свято мучается),
Daß sie den liebsten Mann verloren halten soll (/тем, что/ ей приходится считать любимого человека погибшим /для веры/).
Mephistopheles tritt auf.
MEPHISTOPHELES:
Der Grasaff! ist er weg?
FAUST:
Hast wieder spioniert?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab’s ausführlich wohl vernommen,
Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mädels sind doch sehr interessiert,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
FAUST:
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
Am Brunnen
Gretchen und Lieschen mit Krügen
LIESCHEN:
Hast nichts von Bärbelchen gehört?
GRETCHEN:
Das war ein Spazieren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
Mußt überall die Erste sein,
Kurtesiert’ ihr immer mit Pastetchen und Wein;
Bildt’ sich was auf ihre Schönheit ein,
War doch so ehrlos, sich nicht zu schämen,
Geschenke von ihm anzunehmen.
Ward ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß tun!
GRETCHEN:
Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.
LIESCHEN:
Er wär ein Narr! Ein flinker Jung
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
GRETCHEN:
Das ist nicht schön!
LIESCHEN:
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn,
Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Tür!
Ab.
GRETCHEN
nach Hause gehend (идя домой):
Wie konnt ich sonst so tapfer schmälen (как я могла раньше так смело бранить; schmälen – ругать, бранить, злословить, клеветать),
Wenn tät ein armes Mägdlein fehlen (когда какая-нибудь бедная девушка попадала в беду; fehlen – отсутствовать, недоставать; здесь: провиниться, согрешить, сравните: er hat schwer gefehlt – он серьезно провинился, он сделал большую ошибку)!
Wie konnt ich über andrer Sünden (как я могла /говоря/ о грехах других /людей/)
Nicht Worte gnug der Zunge finden (не находить достаточно /осуждающих/ слов языку)!
Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar (как это мне казалось черным, и /хотя я/ еще более чернила; schwärzen – чернить, клеветать),
Mir’s immer doch nicht schwarz gnug war (для меня все же это все равно не было достаточно черным),
Und segnet mich und tat so groß (и я осеняла себя крестом и задавалась; sich segnen – креститься, осенять себя крестным знамением; großtun mit... – хвастаться /чем-либо/, важничать, задаваться, зазнаваться),
Und bin nun selbst der Sünde bloß (а теперь сама предана греху; bloß – голый, обнаженный, непокрытый; die Sünde – грех)!
Doch – alles, was dazu mich trieb (однако все, что меня к этому привело/вынудило; treiben – гнать; понуждать),
Gott! war so gut (Господи! было столь хорошо!)! ach, war so lieb (столь мило)!
Zwinger
In der Mauerhöhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor.
Gretchen
steckt frische Blumen in die Krüge:
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Not!
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weißt nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe (куда бы я ни пошла)
Wie weh, wie weh, wie wehe (как больно)
Wird mir im Busen hier (становится у меня в груди)!
Ich bin, ach! kaum alleine (я почти не остаюсь одна),
Ich wein, ich wein, ich weine (я плачу),
Das Herz zerbricht in mir (сердце разрывается во мне; zerbrechen – /с/ломаться, /раз/биться, разломиться, разорваться).
Wohin ich immer gehe
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich bin, ach! kaum alleine,
Ich wein, ich wein, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster (цветочные горшки перед моим окном; die Scherbe, множественное: die Scherben – осколки, черепки, в разговорной речи, как здесь – горшки /с цветами/)
Betaut ich mit Tränen, ach (окропила слезами; betauen – окроплять росой; der Tau – роса)!
Als ich am frühen Morgen (когда ранним утром)
Dir diese Blumen brach (сорвала Тебе эти цветы; brechen – ломать).
Die Scherben vor meinem Fenster
Betaut ich mit Tränen, ach!
Als ich am frühen Morgen
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer (/когда/ ярко в мою каморку начало светить = проникло; heraufscheinen)
Die Sonne früh herauf (солнце утром),
Saß ich in allem Jammer (я сидела в полной печали; der Jammer – горе, беда, бедствие, несчастье, жалость)
In meinem Bett schon auf (уже /поднявшись/ на моей постели; im Bett aufsitzen – сидеть в постели, приподняться в постели).
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne früh herauf,
Saß ich in allem Jammer
In meinem Bett schon auf.
Hilf (помоги)! rette mich von Schmach und Tod (спаси меня от позора и смерти; die Schmach – позор, стыд, бесчестие)!
Ach neige (ах, склони),
Du Schmerzenreiche (Ты, Скорбящая),
Dein Antlitz gnädig meiner Not (Твой лик милостиво к моей беде)!
Hilf! rette mich von Schmach und Tod!
Ach neige,
Valentin
Soldat, Gretchens Bruder:
Wenn ich so saß bei einem Gelag,
Wo mancher sich berühmen mag,
Und die Gesellen mir den Flor
Der Mägdlein laut gepriesen vor,
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt,
Den Ellenbogen aufgestemmt,
Saß ich in meiner sichern Ruh,
Hört all dem Schwadronieren zu
Und streiche lächelnd meinen Bart
Und kriege das volle Glas zur Hand
Und sage: «Alles nach seiner Art!
Aber ist eine im ganzen Land,
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Wie von dem Fenster dort der Sakristei
Aufwärts der Schein des Ew’gen Lämpchens flämmert
Und schwach und schwächer seitwärts dämmert,
Und Finsternis drängt ringsum bei!
So sieht’s in meinem Busen nächtig.
MEPHISTOPHELES:
Und mir ist’s wie dem Kätzlein schmächtig,
Das an den Feuerleitern schleicht,
Sich leis dann um die Mauern streicht;
Mir ist’s ganz tugendlich dabei,
Ein bißchen Diebsgelüst, ein bißchen Rammelei.
So spukt mir schon durch alle Glieder
Du kannst die Freude bald erleben,
Das Kesselchen herauszuheben.
Ich schielte neulich so hinein,
Sind herrliche Löwentaler drein.
FAUST:
Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring,
Meine liebe Buhle damit zu zieren?
MEPHISTOPHELES:
Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.
MEPHISTOPHELES:
Es sollt Euch eben nicht verdrießen,
Umsonst auch etwas zu genießen.
Jetzt, da der Himmel voller Sterne glüht,
Sollt Ihr ein wahres Kunststück hören:
Was machst du mir
Vor Liebchens Tür,
Kathrinchen, hier
Bei frühem Tagesblicke?
Laß, laß es sein!
Er läßt dich ein
Als Mädchen ein,
Als Mädchen nicht zurücke.
Nehmt euch in acht!
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht’
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Tut keinem Dieb
Nur nichts zulieb
VALENTIN
tritt vor:
Wen lockst du hier? beim Element!
Vermaledeiter Rattenfänger!
Zum Teufel erst das Instrument!
Zum Teufel hinterdrein den Sänger!
MEPHISTOPHELES:
Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.
VALENTIN:
Nun soll es an ein Schädelspalten!
MEPHISTOPHELES
zu Faust:
Stoß zu!
Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.
MARTHE
am Fenster:
Heraus! Heraus!
GRETCHEN
am Fenster:
Herbei ein Licht!
MARTHE
wie oben:
MARTHE
heraustretend:
Die Mörder, sind sie denn entflohn?
GRETCHEN
heraustretend:
Wer liegt hier?
VOLK:
Alle treten um ihn.
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung,
Bist gar noch nicht gescheit genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag dir’s im Vertrauen nur:
Geschehn ist leider nun geschehn
Und wie es gehn kann, so wird’s gehn.
Du fingst mit einem heimlich an
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat,
Wenn erst die Schande wird geboren,
Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleier der Nacht
Ihr über Kopf und Ohren;
Ja, man möchte sie gern ermorden.
Wächst sie aber und macht sich groß,
Dann geht sie auch bei Tage bloß
Und ist doch nicht schöner geworden.
Je häßlicher wird ihr Gesicht,
Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,
Daß alle brave Bürgersleut,
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen,
Wenn sie dir in die Augen sehn!
Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn!
In einem schönen Spitzenkragen
Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!
In eine finstre Jammerecken
Unter Bettler und Krüppel dich verstecken,
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
Dom
Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke.
Böser Geist hinter Gretchen.
BÖSER GEIST:
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst
Aus dem vergriffnen Büchelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!
CHOR:
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
GRETCHEN:
Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.
CHOR:
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!
BÖSER GEIST:
Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
CHOR:
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Walpurgisnacht
Harzgebirg. Gegend von Schierke und Elend.
Faust. Mephistopheles.
MEPHISTOPHELES:
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
FAUST:
Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
Genügt mir dieser Knotenstock.
Was hilft’s, daß man den Weg verkürzt! –
Im Labyrinth der Täler hinzuschleichen,
Mir ist es winterlich im Leibe,
Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe
Des roten Monds mit später Glut heran
Und leuchtet schlecht, daß man bei jedem Schritte
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
Erlaub, daß ich ein Irrlicht bitte!
Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen,
Mein leichtes Naturell zu zwingen;
Nur zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Er denkt’s den Menschen nachzuahmen.
Geh Er nur grad, in ‘s Teufels Namen!
Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus.
IRRLICHT:
Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach Euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,
FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT
im Wechselgesang:
In die Traum- und Zaubersphäre
Durch die Steine, durch den Rasen
Eilet Bach und Bächlein nieder.
Hör ich Rauschen? hör ich Lieder?
Hör ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
Winden sich aus Fels und Sande,
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten derben Masern
Strecken sie Polypenfasern
Nach dem Wandrer. Und die Mäuse
Tausendfärbig, scharenweise,
Durch das Moos und durch die Heide!
Und die Funkenwürmer fliegen
Mit gedrängten Schwärmezügen
Aber sag mir, ob wir stehen
Oder ob wir weitergehen?
Alles, alles scheint zu drehen,
Fels und Bäume, die Gesichter
Hier ist so ein Mittelgipfel,
Des Abgrunds wittert er hinein.
Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor,
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke
Mit hundert Adern sich durchs Tal,
Und hier in der gedrängten Ecke
Vereinzelt sie sich auf einmal.
Da sprühen Funken in der Nähe
Ein Nebel verdichtet die Nacht.
Höre, wie’s durch die Wälder kracht!
HEXEN
im Chor:
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
Dort sammelt sich der große Hauf,
Herr Urian sitzt oben auf.
So geht es über Stein und Stock,
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterschwein.
CHOR:
So Ehre denn, wem Ehre gebührt!
Frau Baubo vor! und angeführt!
Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,
Da folgt der ganze Hexenhauf.
STIMME:
Welchen Weg kommst du her?
STIMME:
Übern Ilsenstein! Da guckt ich der Eule ins Nest hinein,
Die macht ein Paar Augen!
STIMME:
O fahre zur Hölle! Was reitst du so schnelle!
STIMME:
Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
Was ist das für ein toller Drang?
Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
HEXENMEISTER, HALBER CHOR:
Wir schleichen wie die Schneck im Haus,
Die Weiber alle sind voraus.
Denn, geht es zu des Bösen Haus,
Das Weib hat tausend Schritt voraus.
ANDERE HÄLFTE:
Wir nehmen das nicht so genau,
Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
STIMME
oben:
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
STIMMEN
von unten:
Wir möchten gerne mit in die Höh.
Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar;
Aber auch ewig unfruchtbar.
BEIDE CHÖRE:
Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
Der trübe Mond verbirgt sich gern.
Im Sausen sprüht das Zauberchor
STIMME
von unten:
Halte! Halte!
STIMME
oben:
Wer ruft da aus der Felsenspalte?
STIMME
von unten:
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich steige schon dreihundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen.
Ich wäre gern bei meinesgleichen.
BEIDE CHÖRE:
Es trägt der Besen, trägt der Stock,
Die Gabel trägt, es trägt der Bock;
Wer heute sich nicht heben kann,
HALBHEXE
unten:
Ich tripple nach, so lange Zeit;
Wie sind die andern schon so weit!
Ich hab zu Hause keine Ruh
Und komme hier doch nicht dazu.
CHOR DER HEXEN:
Die Salbe gibt den Hexen Mut,
Ein Lumpen ist zum Segel gut,
Ein gutes Schiff ist jeder Trog;
Der flieget nie, der heut nicht flog.
BEIDE CHÖRE:
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So streichet an dem Boden hin
Und deckt die Heide weit und breit
Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
FAUST
in der Ferne:
Hier!
MEPHISTOPHELES:
Was! dort schon hingerissen (как, уже увлекли туда: «туда уже увлечен»; hinreißen – увлекать, пленять)?
Da werd ich Hausrecht brauchen müssen (тут мне придется воспользоваться правом хозяина).
Platz (на место)! Junker Voland kommt (господин Воланд идет; der Junker – молодой барин, барич, барчук). Platz! süßer Pöbel, Platz (милая чернь, на место; der Pöbel – чернь)!
Hier, Doktor, fasse mich (вот доктор, держись за меня: «хватай меня»)! und nun, in einem Satz (в теперь одним прыжком; der Satz)
Laß uns aus dem Gedräng entweichen (давай вырвемся из этой давки);
Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen (это слишком бешено, даже для таких, как я).
Dortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein (там неподалеку светится что-то каким-то особенным светом; der Schein),
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen (меня что-то тянет к тем кустам; der Strauch – куст).
Komm, komm (давай)! wir schlüpfen da hinein (мы шмыгнем туда; hineinschlüpfen, schlüpfen – шмыгнуть, скользнуть; hinein – «туда-внутрь»).
FAUST:
Du Geist des Widerspruchs (ты дух противоречия)! Nur zu (идем же)! du magst mich führen (веди меня: «ты можешь меня вести»).
Ich denke doch, das war recht klug gemacht (я все же думаю, это было весьма умно сделано):
Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht (то, что мы явились на Брокен в Вальпургиеву ночь; wandeln – ходить, бродить; шествовать; прогуливаться; являться, бродить /о привидениях/),
Um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren (чтобы сидеть сам-друг в сторонке от других; beliebig – любой; как /нам/ будет угодно; сравните: zu jeder beliebigen Zeit /Stunde/ –в любое время, jeder beliebige – кто угодно, alles beliebige – что угодно).
MEPHISTOPHELES:
Was! dort schon hingerissen?
Da werd ich Hausrecht brauchen müssen.
Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!
Hier, Doktor, fasse mich! und nun, in einem Satz
Laß uns aus dem Gedräng entweichen;
Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen.
Dortneben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
Komm, komm! wir schlupfen da hinein.
FAUST:
Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.
Ich denke doch, das war recht klug gemacht:
Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht,
Es ist ein muntrer Klub beisammen.
Im Kleinen ist man nicht allein.
FAUST:
Doch droben möcht ich lieber sein!
Wir wollen hier im stillen hausen.
Es ist doch lange hergebracht,
Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.
Da seh ich junge Hexchen, nackt und bloß,
Und alte, die sich klug verhüllen.
Seid freundlich, nur um meinetwillen;
Die Müh ist klein, der Spaß ist groß.
Ich höre was von Instrumenten tönen!
Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewohnen.
Komm mit! Komm mit! Es kann nicht anders sein,
Ich tret heran und führe dich herein,
Und ich verbinde dich aufs neue.
Was sagst du, Freund? das ist kein kleiner Raum.
Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Zwar bin ich sehr gewohnt, inkognito zu gehn,
Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.
Siehst du die Schnecke da? sie kommt herangekrochen;
Mit ihrem tastenden Gesicht
Hat sie mir schon was abgerochen.
Wenn ich auch will, verleugn ich hier mich nicht.
Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,
Ich bin der Werber, und du bist der Freier.
Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen:
Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?
Ich lobt euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,
Von Saus umzirkt und Jugendbraus;
Denn bei dem Volk wie bei den Frauen
Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit,
Ich lobe mir die guten Alten;
Denn freilich, da wir alles galten,
Wir waren wahrlich auch nicht dumm
Und taten oft, was wir nicht sollten;
Und was das liebe junge Volk betrifft,
MEPHISTOPHELES
der auf einmal sehr alt erscheint:
Zum Jüngsten Tag fühl ich das Volk gereift,
Da ich zum letztenmal den Hexenberg ersteige,
Und weil mein Fäßchen trübe läuft,
Aufmerksam blickt nach meinen Waren,
Es steht dahier gar mancherlei.
Und doch ist nichts in meinem Laden,
Dem keiner auf der Erde gleicht,
Das nicht einmal zum tücht’gen Schaden
Der Menschen und der Welt gereicht.
Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,
Der ganze Strudel strebt nach oben;
Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.
Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,
So läßt sie ihn so bald nicht wieder fahren.
FAUST:
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir greifen zu.
FAUST
mit der Jungen tanzend:
Einst hatt ich einen schönen Traum
Da sah ich einen Apfelbaum,
Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
Sie reizten mich, ich stieg hinan.
DIE SCHÖNE:
Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
MEPHISTOPHELES
mit der Alten:
Einst hatt ich einen wüsten Traum
Da sah ich einen gespaltnen Baum,
FAUST
tanzend:
Ei! der ist eben überall.
Was andre tanzen, muß er schätzen.
Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen,
So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.
Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.
Das Teufelspack, es fragt nach keiner Regel.
Wir sind so klug, und dennoch spukt’s in Tegel.
Den Geistesdespotismus leid ich nicht;
Mein Geist kann ihn nicht exerzieren.
Es wird fortgetanzt.
Heut, seh ich, will mir nichts gelingen;
Doch eine Reise nehm ich immer mit
Und hoffe noch vor meinem letzten Schritt
Das ist die Art, wie er sich soulagiert,
Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,
Genug, die Maus war doch nicht grau.
Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?
FAUST:
Dann sah ich –
MEPHISTOPHELES:
Was?
FAUST:
Mephisto, siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen, ist nicht gut:
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt;
Von der Meduse hast du ja gehört.
FAUST:
Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
FAUST:
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen,
Denn Perseus hat’s ihr abgeschlagen.
Nur immer diese Lust zum Wahn!
Komm doch das Hügelchen heran,
Hier ist’s so lustig wie im Prater;
Und hat man mir’s nicht angetan,
So viel zu geben ist allhier der Brauch,
Ein Dilettant hat es geschrieben
Und Dilettanten spielen’s auch.
Verzeiht, ihr Herrn, wenn ich verschwinde;
Mich dilettiert’s, den Vorhang aufzuziehn.
MEPHISTOPHELES:
Trüber Tag. Feld
Nacht, offen Feld
Faust, Mephistopheles, auf schwarzen Pferden daherbrausend.
FAUST:
Was weben die dort um den Rabenstein?
MEPHISTOPHELES:
Weiß nicht, was sie kochen und schaffen.
FAUST:
Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich.
MEPHISTOPHELES:
Eine Hexenzunft.
FAUST:
Kerker
Faust mit einem Bund Schlüssel und einer Lampe, vor einem eisernen Türchen.
Mich faßt ein längst entwohnter Schauer,
Der Menschheit ganzer Jammer faßt mich an.
Mein Vater, der Schelm,
Der mich gessen hat!
FAUST
aufschließend:
Sie ahnet nicht, daß der Geliebte lauscht,
Die Ketten klirren hört, das Stroh, das rauscht.
Er tritt ein.
MARGARETE
sich auf dem Lager verbergend:
Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
FAUST
leise:
Still! Still! ich komme, dich zu befreien.
MARGARETE
auf den Knien:
Wer hat dir Henker diese Macht
Über mich gegeben!
Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und laß mich leben!
Ist’s morgen früh nicht zeitig genung?
Sie steht auf.
Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
FAUST
wirft sich nieder:
Ein Liebender liegt dir zu Füßen,
Die Jammerknechtschaft aufzuschließen.
MARGARETE
wirft sich zu ihm:
O laß uns knien, die Heil’gen anzurufen!
Sieh! unter diesen Stufen,
Unter der Schwelle
Siedet die Hölle!
Der Böse,
FAUST
lacht:
Gretchen! Gretchen!
MARGARETE
aufmerksam:
Das war des Freundes Stimme!
Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.
Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Ihn fassend.
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da,
Auf der ich dich zum ersten Male sah.
Und der heitere Garten,
FAUST
fortstrebend:
Komm mit! Komm mit!
MARGARETE:
O weile!
Weil ich doch so gern, wo du weilest.
Liebkosend.
FAUST:
Eile!
Mein Freund, so kurz von mir entfernt,
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!
Sonst küß ich dich!
Sie umfaßt ihn.
O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!
MARGARETE
zu ihm gewendet:
Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?
FAUST:
Ich bin’s! Komm mit!
MARGARETE:
Meine Mutter hab ich umgebracht,
Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.
Ach Gott! was hast du getan!
Du bringst mich um.
MARGARETE:
Nein, du mußt übrigbleiben!
Ich will dir die Gräber beschreiben,
Für die mußt du sorgen
Gleich morgen;
Der Mutter den besten Platz geben,
Meinen Bruder sogleich darneben,
Mich ein wenig beiseit’,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Brust.
Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Ins Freie.
MARGARETE:
Ist das Grab drauß,
Lauert der Tod, so komm!
Ich bleibe bei dir.
MARGARETE:
Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein,
Es faßt mich kalt beim Schopfe!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein
Und wackelt mit dem Kopfe;
Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer,
Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr.
Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen,
So wag ich’s, dich hinwegzutragen.
MARGARETE:
Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Wir werden uns wiedersehn;
Aber nicht beim Tanze.
Die Menge drängt sich, man hört sie nicht.
Der Platz, die Gassen
Können sie nicht fassen.
Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht.
Wie sie mich binden und packen!
Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt.
MEPHISTOPHELES
erscheint draußen:
Auf! oder ihr seid verloren.
Unnützes Zagen! Zaudern und Plaudern!
STIMME
von oben:
Ist gerettet!
MEPHISTOPHELES
zu Faust:
Her zu mir!
Verschwindet mit Faust.
STIMME
von innen, verhallend:
Heinrich! Heinrich!
– Конец работы –
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